Berlin. Die Genossen haben das Ergebnis der Bundestagswahl als das bezeichnet , was es ist: als Niederlage. Gestern vertröstete Parteichef Sigmar Gabriel Kanzlerin Angela Merkel erstmal am Telefon. Bevor er ihr später erklärte, man warte den kleinen Parteitag ab, um zu entscheiden, wofür sich die SPD entscheide. Für die Koalition oder Opposition.
Am Tag danach macht die SPD-Spitze aus ihrer Enttäuschung über das Wahlergebnis keinen Hehl. Nichts gebe es da zu beschönigen, sagt Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, von einem „bitteren Ergebnis“ sprechen Vorstandsmitglieder. Aber die Debatte über Wahlkampf-Fehler, auch über mögliche Konsequenzen für die Parteispitze wird gestern im Vorstand vertagt. Die Genossen haben ein anderes Problem: Sollen sie schon wieder in eine Große Koalition gehen? Oder lieber den Grünen den Vortritt lassen, denen die Sozialdemokraten in der Beziehung doch einiges zutrauen?
Nach diesem Wahlergebnis wird nicht bloß taktiert, die Ratlosigkeit ist tatsächlich groß. Für Parteichef Sigmar Gabriel immerhin ist der Machtpoker die große Chance, unbeschadet aus dem Wahldebakel hervorzugehen - ohne starken Vorsitzenden ist jetzt nichts auszurichten, noch herrscht an dieser Front Ruhe. So lässt Gabriel die Kanzlerin nach ihrem ersten Kontaktversuch gestern früh zwei Stunden warten, bevor er zurückruft - und ihr erklärt, vor möglichen Gesprächen werde auf einem Parteikonvent am Freitag das Wahlergebnis beraten.
Parteichef tritt auf die Bremse
Dort will die Parteispitze einen Verfahrensvorschlag für Gespräche machen und im Übrigen erstmal auf die Bremse treten. „Es liegt nicht bei uns, für Mehrheiten zu sorgen. Frau Merkel muss sagen, was sie will“, erklärt Gabriel. Es gebe keine Vorfestlegungen.
SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sagt später: „Das ist ein ergebnisoffener Prozess. Er wird die Partei nicht zerreißen.“ Es geht um eine schwierige Abwägung - die Basis hat keine Lust auf das Bündnis mit der Union, nicht nur im NRW-Landesverband gibt es Widerstand. „Die entscheidende Frage für diese Koalition ist: Wie komme ich da heil wieder heraus?“, sagt ein Parteistratege. Das war das Problem 2009 - und könnte es auch 2017 sein. Die Wahlkampf-Spekulation, die SPD werde eine Große Koalition mitten in der Legislaturperiode platzen lassen und mit Grünen und Linken eine Regierung bilden, wird von Führungsmitgliedern als unsinnig zurückgewiesen - das sei nicht vermittelbar.
Andersherum werde es laufen: Lasse sich die SPD auf die Große Koalition ein, werde nicht nur die Linkspartei stärker - eine Annäherung an ein rot-rot-grünes Bündnis würde in den nächsten Jahren erschwert. Die Öffnung für ein Linksbündnis aber ist die neue strategische Option, die nach dieser Enttäuschung in der SPD viele Anhänger hat. Jetzt gleich nach der Wahl eine Regierung mit Linken und Grünen zu wagen, wird zwar von niemandem in der SPD mehr ernsthaft ins Gespräch gebracht, die Festlegung dagegen war zu eindeutig.
Die Tür nicht zuschlagen
Die Sprecherin der Parteilinken, Hilde Mattheis, warnt schon am Wahlabend, es sei falsch, die Türen zu Rot-Rot-Grün zuzuschlagen. Vorstandsmitglied Ralf Stegner: „Es muss das letzte Mal gewesen sein, dass wir Rot-Rot-Grün ausschließen.“
Selbst Peer Steinbrück hat eine Regierung mit der Linken für spätere Zeiten als möglich bezeichnet - wenn die Gysi-Truppe sich ändert und inhaltliche Knackpunkte in der Sozialpolitik deutlich entschärft.