Rom/Essen. . Trotz der Katastrophe vor der kleinen Mittelmeer-Insel suchen die Menschen ein sicheres Leben in Europa. Doch vielen droht anschließend die Abschiebung. In Berlin und Hamburg harren die Menschen mit Hilfe der Anwohner aus.
46 Meter tief auf dem Meeresboden liegt das Flüchtlingsschiff, mit dem 500 Menschen aus Eritrea, Somalia und Afghanistan in der vergangenen Woche versucht hatten, Europa zu erreichen. 300 von ihnen überlebten die Reise wohl nicht; noch immer versuchen Taucher, Leichen zu bergen.
So dramatisch die Lage vor Lampedusa – Katastrophen wie diese halten die Menschen, die in ihren Herkunftsländern ums Überleben kämpfen, nicht davon ab, die gefährliche Flucht zu starten. Hunderte von Syrern, Schwarzafrikanern, Iranern oder Afghanen wurden in den vergangenen Tagen aus Seenot gerettet, bevor sie italienischen Boden betraten.
Aufnahmelager in Italien sind überfüllt
Dabei sind die Aufnahmelager längst überfüllt, die Verhältnisse unzumutbar. Ob Mailand oder Florenz – oft genug landen Flüchtlinge aus Mangel an Unterkünften in der Obdachlosigkeit. Doch ohne festen Wohnsitz sind sie Behördenwillkür ausgesetzt und können keine Sozialleistungen beantragen, berichtet der Verein „bordermonitoring.eu“, der ein Jahr lang die Situation vor Ort untersuchte.
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Erschrocken von den Verhältnissen versuchen viele Flüchtlinge, weiter zu ziehen – nach Deutschland, Großbritannien, Frankreich. Unterstützt werden sie, vermutet Michael Lukas von der Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative „Stay“, von Schleusern, die auch innerhalb der EU aktiv sind.
Oder sie bekommen in Italien einige Hundert Euro plus Schengen-Aufenthaltspapier in die Hand gedrückt; 70 000 Flüchtlinge wurden so 2011, als in Libyen der Bürgerkrieg ausbrach, innerhalb der Europäischen Union weitergereicht.
Auch in Deutschland leben viele von ihnen – mit ihrem längst abgelaufenen Schengen-Papier. Allein in Berlin-Kreuzberg harren 150 Flüchtlinge seit einem Jahr auf dem Oranienplatz aus. Unterstützt werden sie von Anwohnern und Aktivisten.
Eine Kirchengemeinde im Hamburger Stadtteil St. Pauli beherbergt 80 so genannte Lampedusa-Flüchtlinge. Nachbarn spenden für sie Geld, Lebensmittel und Kleidung, organisieren Sprachkurse, Fußballspiele und Aktionen gegen die drohende Abschiebung.
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Zwar dürfen sie nun in den Winternächten in eine feste Unterkunft ziehen, doch auf einen Aufenthaltstitel oder gar Asyl brauchen die Hamburger Lampedusa-Flüchtlinge nicht zu hoffen. Regierungschef Olaf Scholz beruft sich auf die sogenannte Dublin-II-Verordnung, wonach derjenige Staat für das Asylverfahren zuständig ist, den ein Flüchtling zuerst betreten hat.
Allein in NRW leben Zehntausende Flüchtlinge ohne Papiere
Der Düsseldorfer Sozialarbeiter Michael Lukas berät täglich Flüchtlinge, die ohne Papiere in Deutschland leben. Er berichtet von den Netzwerken der Landsleute, die für ein Dach über den Kopf sorgten, den bezahlten „Helfern“, die Jobs und Kontakte vermitteln. „Das kann Jahre oder Jahrzehnte gut gehen“, sagt Lukas. Doch oft breche bei einer schweren Krankheit das Kartenhaus zusammen – weil die Krankenversicherung fehlt und das Krankenhaus Ausweispapiere sehen will.
Wie viele Menschen in NRW so leben, ständig auf der Hut? Lukas spricht von geschätzten 100.000 Flüchtlingen ohne Papiere. Städte mit dieser Einwohnerzahl gelten bereits als Großstadt. In Deutschland seien es fünf- bis zehnmal so viele. Tendenz: steigend.