Washington. Am Kapitol in Washington hat die Polizei eine Autofahrerin erschossen. Das Opfer hatte zuvor am Weißen Haus eine Straßenbarriere gerammt. Die Motive sind noch unbekannt. Es besteht kein terroristischer Hintergrund.
Als wäre das politische Patt um den amerikanischen Staatshaushalt nicht schon nervenaufreibend genug: Bei einem verhängnisvollen Zwischenfall in unmittelbarer Nähe zum Kapitol in Washington ist am Donnerstagnachmittag nach übereinstimmenden Informationen mehrerer US-Medien eine Frau von der Polizei nach einer Verfolgungsjagd im Auto erschossen worden.
Wie die für den Parlamentsbezirk in der Hauptstadt zuständige Polizei in einer ersten Pressekonferenz gegen 15.30 Uhr Ortszeit (21.30 Uhr MESZ) mitteilte, hatte die namentlich nicht genannte Frau gegen 14 Uhr versucht, in ihrer schwarzen Lexus-Infinity-Limousine eine der vielen Sicherheitsabsperrungen am Weißen Haus zu rammen, das etwa zwei Kilometer entfernt ist. Dabei soll sie laut Augenzeugen nach einem Wortwechsel einen Wachmann angefahren haben. Motiv? unbekannt.
Flüchtende ignorierte in hohem Tempo mehrere Ampeln
Danach raste sie auf der Pennsylvania Avenue davon. Die rund um den Präsidentensitz dicht versammelte und stets im latenten Alarmzustand steckende Polizei nahm mit mehreren Einsatzwagen die Verfolgung auf. Die Flüchtende ignorierte in hohem Tempo mehrere Ampeln. Die Aufforderung, sofort anzuhalten, ignorierte sie. In Höhe des Kapitols, in dem Senat und Repräsentantenhaus ihren Sitz haben, rammte sie ein Polizeiauto. Dabei wurde ein Beamter verletzt und später mit dem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen. Hier kam es zu einem ersten Beschuss durch die Polizei. Kurz danach krachte die Frau mit ihrem Wagen in eine Barrikade.
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Die Polizei eröffnete umgehend wieder das Feuer; auf wessen Befehl und warum, wird noch zu klären sein. Die Frau wurde getroffen. Wie mehrere US-Medien, etwa die Sender NBC, Fox und ABC unter Berufung auf Sicherheitsbehörden meldeten, erlag sie ihren Verletzungen. Vermutungen, wonach sie selbst ebenfalls eine Waffe benutzt haben könnte, haben sich bislang nicht bestätigt. Nach Augenzeugenberichten sollen „sechs bis 12 Schüsse“ gefallen sein. Ein im Auto sitzenden Kleinkind, möglicherweise die Tochter der Frau, überstand den Einsatz unverletzt. Parlamentspolizei-Chef Kim Dine schloss einen terroristischen Hintergrund aus. „Alles sieht nach einem isolierten Zwischenfall aus“, sagte er vor Dutzenden von Journalisten.
Das Kapitol wurde vorbeugend abgeriegelt
Allerdings waren die Auswirkungen vorübergehend enorm. Das Kapitol, in dem zum Zeitpunkt des Vorfalls Sitzungen liefen, wurde vorbeugend abgeriegelt. Ebenso der nahe gelegene Oberste Gerichtshof. Die Bundespolizei FBI und andere Sicherheitskräfte forderten die Abgeordneten-Büros dazu auf, im Gebäude zu bleiben und nicht ans Fenster zu treten. Dutzende Abgeordnete berichten per Twitter über die bangen Minuten. Einige gaben Live-Interviews auf den großen Fernsehsendern, die fast ausnahmslos ihr reguläres Programm unterbrachen und live von der unübersichtlichen Situation berichteten.
Hunderte Touristen, die sich rund um das Kapitol aufhielten, waren plötzlich mit größeren Absperrungen und hektischen Sicherheitskräften konfrontiert. Für eine gute Stunde herrschte Ausnahmezustand im Herzen der amerikanischen Hauptstadt. Auf Handy-Videos, die im Internet kursierten, waren dramatische Szenen zu sehen: Dutzende Passanten warfen sich auf den Boden, aus Angst vor Querschlägern. Wenig später hob die Polizei die Quarantäne am Parlamentssitz auf. Die Lage entspannte sich zusehends. Im Kapitol spendeten die Abgeordneten den Sicherheitskräften Beifall. In ersten Kommentaren erklärten US-Medien den vereinzelt als „tragisch“ und „unverhältnismäßig“ gewerteten Großeinsatz mit der Tragödie vor zweieinhalb Wochen. Damals hatte der 34 Jahre alte Aaron Alexis in einem nur wenige Kilometer entfernten Kommandozentrum der Marine das Feuer eröffnet und zwölf Menschen getötet.