Berlin. CSU-Frau Ilse Aigner verlässt das Kabinett. Für Vizekanzler Philipp Rösler ist hingegen noch lange nicht Schluss. Er und die vier weiteren FDP-Minister bleiben so lange im Kabinett, bis eine neue Regierung im Amt ist. Auch wenn ihre Partei nicht mehr im Bundestag sitzt.

Für Vizekanzler Philipp Rösler ist noch lange nicht Schluss. Er und die vier weiteren FDP-Minister bleiben so lange im Kabinett, bis eine neue Regierung im Amt ist – womöglich bis Jahresende. Das hängt von der Dauer der Koalitionsgespräche ab. Neu ist, dass die Staatsgeschäfte von einer Partei wahrgenommen werden, die wie nicht einmal im Bundestag sitzt. Parlamentarisch sind die liberalen Minister quasi verwaist. Sie gehören jetzt zur „Apo“, zur außerparlamentarischen Opposition.

Allerdings müssen Minister nicht im Bundestag sitzen. Sie vertreten den Staat, nicht das Volk. Rösler hatte bisher schon kein Mandat, ebenso wenig Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU), die erst seit wenigen Monaten in Kabinett ist. Sie kam wie Rösler 2009 aus der Landespolitik.

Keine zusätzliche Demütigung

Am 22. Oktober konstituiert sich der neue Bundestag, wie vorgeschrieben spätestens 30 Tage nach der Wahl. Wer die Staatsgeschäfte erledigt, das regelt das Grundgesetz in Artikel 69. Auf Ersuchen des Bundespräsidenten ist die Kanzlerin verpflichtet, im Amt zu bleiben, bis die nächste Regierung ernannt und vereidigt ist. Die Minister sind ihrerseits verpflichtet, im Amt zu bleiben, bis ein Nachfolger ernannt ist. Wohlgemerkt: verpflichtet. Natürlich könnte Merkel die FDP-Minister entlassen und andere mit ihren Aufgaben betrauen. Nach dem Bruch der sozialliberalen Koalition 1982 ging der damalige Kanzler Helmut Schmidt so vor.

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Aber: Anders als damals brach die Merkel-Koalition nicht im Streit auseinander. Und Merkel hat dem Vernehmen nach nicht vor, die FDP zusätzlich zu demütigen. Von der CSU ist gestern schon die bisherige Agrarministerin Ilse Aigner ausgeschieden. Sie will zurück nach Bayern, von Bundespräsident Joachim Gauck bekam sie die Entlassungsurkunde.

Nun ist in der Regierung eigentlich klar geregelt, wer wen vertritt. In Aigners Fall wäre das: FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel. Die Vertretungs-Regelung ist allerdings nur für den Fall gedacht, dass ein Minister vorübergehend ausfällt, etwa wegen Krankheit. Da Aigner ganz ausscheidet, entschied sich Kanzlerin Angela Merkel, das Ressort komplett neu zu vergeben. Es bleibt in der CSU und wird nun von Innenminister Hans-Peter Friedrich betreut.

Etwas delikater wird es, wenn just in dieser Übergangszeit relevante Entscheidungen anstehen. Zum Beispiel deutete sich 1998 nach der Abwahl von Helmut Kohl an, dass Deutschland über eine Beteiligung am Kosovo-Krieg befinden musste. Kohl hat die SPD eingeschaltet, die seinen Nachfolger Gerhard Schröder stellte.

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Von Daniel Freudenreich, Christian Kerl und Miguel Sanches

Nur noch ausführende Organe

Dieses Jahr könnte noch im Herbst eine Entscheidung über weitere Hilfen für Griechenland anstehen. Gleich am Tag nach der Wahl hat Unions-Fraktionschef Volker Kauder angeboten, wichtige Entscheidungen mit einer Koalitionsarbeitsgruppe abzustimmen. Das bedeutet, dass Rösler oder Außenminister Guido Westerwelle im Amt bleiben, aber nur noch ausführende Organe sind. Wie man politisch vorgeht, stimmt Merkel mit der Partei ab, mit der sie aktuell eine Koalition bilden will – entweder mit SPD oder mit Grünen.

In Übergangszeiten schlägt die Stunde des Bundespräsidenten. Joachim Gauck trifft regelmäßig Merkel zu Vier-Augen-Gesprächen, in der Regel mindestens einmal im Quartal. Darüber hinaus sitzt der Chef des Präsidialamts am Kabinettstisch. Es ist aber wohl kein Zufall, dass gestern bekannt wurde, dass Gauck die Chefs der Parteien im Bundestag zum Gespräch bitten will. Auch Gauck muss irritiert wahrgenommen haben, wie sich keine Partei um einen Platz an Merkels Seite drängte.