Rom. . Nach nur fünf Monaten steht die Regierung von Enrico Letta vor dem Aus. Diesen Mittwoch will der Ministerpräsident die Vertrauensfrage stellen. Der Grund: Die Partei von Medienmogul Berlusconi hat den Rücktritt ihrer fünf Minister aus der großen Koalition angekündigt.
Nach der Entscheidung von Silvio Berlusconi, alle fünf Minister seiner Partei aus der Koalition abzuziehen, hat Regierungschef Enrico Letta für Mittwoch eine Vertrauensabstimmung im Parlament angekündigt. Er werde sowohl im Senat wie auch in der Abgeordnetenkammer die Vertrauensfrage stellen, sagte der Sozialdemokrat am Sonntagabend im Fernsehen nach einem Krisengespräch mit Präsident Giorgio Napolitano in Rom. Werde er sie verlieren, "werde ich meine Schlüsse" ziehen, sagte Letta weiter.
Mit dem Rückzug seiner fünf Minister hat Silvio Berlusconi just zu seinem 77. Geburtstag das Ende der Regierung und der Großen Koalition in Rom eingeläutet. Zur Begründung erklärte er, der sozialdemokratische Koalitionspartner habe nichts dafür getan, die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Oktober zu verhindern. Berlusconi kritisierte dies als „Vertragsbruch“.
Dass diese Erklärung aber lediglich ein Vorwand ist, darin ist sich ganz Italien einig. In Wahrheit, so sagen alle Beobachter, habe Berlusconi die für kommenden Freitag erwarteten Aberkennung seines Parlamentsmandats verhindern wollen. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Enrico Letta sprach denn auch von einem „verrückten und unverantwortlichen Schritt, der nur persönliche Angelegenheiten verdecken soll“.
Überraschung für eigene Leute
Die Entscheidung, die fünf Regierungsmitglieder seiner Partei zum Rücktritt „einzuladen“, kam auch für Berlusconis eigene Leute überraschend. Sie fiel am Samstag im engen Kreis einiger radikaler Mitglieder seines Führungszirkels. Hochrangige Mitglieder von Berlusconis „Volk der Freiheit“ kritisierten diesen Beschluss.
So sagte der frühere Fraktionschef Fabrizio Cicchitto, eine Entscheidung von dieser Tragweite hätte eine „vertiefte Diskussion in den regulären Führungsgremien der Partei und unter den Abgeordneten“ verlangt. Ähnlich äußerte sich auch Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin. Sie werde zwar dem Rücktrittsaufruf folgen, nicht mehr aber Berlusconis Partei, die unter Regie der „Falken“ in die rechtsextreme Ecke abdrifte, sagte sie.
„Zum Wohle des Landes“
Der Rückzug der Minister stellte die zweite Eskalationsstufe dar. Am Mittwoch hatte das Parteipräsidium beschlossen, alle 200 Parlamentsabgeordneten des „Volks der Freiheit“ sollten zurücktreten, falls der Immunitätsausschuss des Senats am kommenden Freitag das Ende von Berlusconis Parlamentarierdasein beschließen sollte.
Der Rücktritt sei „ein Akt der Liebe zur Verteidigung unseres Leaders und der Demokratie“, sagte Fraktionschef Renato Brunetta. Während das Gesetz einen Ausschluss aller Abgeordneten vorsieht, die zu zwei oder mehr Jahren Haft verurteilt sind, sagte Berlusconi, da sei „ein Staatsstreich der Linken im Gange“. Und was er selbst nun tue, das sei „nicht von persönlichen Problemen beeinflusst“: „Das ist nur zum Wohle des Landes.“
Berlusconi will Amnestie
Regierungschef Letta kündigte nach der kollektiven Rücktrittsankündigung der Berlusconi-Abgeordneten eine kurzfristige Vertrauensabstimmung im Parlament an. Italien brauche in seiner Krise eine verlässliche Regierungsmehrheit, sagte Letta; er sei es leid, sich im Parteienstreit immer nur recht und schlecht durchschlagen zu müssen. Berlusconi solle „entweder ganz mitmachen oder es gleich sein lassen“, verlangte Letta.
Auch interessant
Das wiederum deuteten die „Falken“ im „Volk der Freiheit“ als Erpressung. Im Gegenzug forderten sie ultimativ, der Ministerrat müsse bei seiner überstürzt einberufenen Krisensitzung am Freitagabend auch die „Frage der Justiz“ behandeln. Im Klartext: Die Regierung sollte Berlusconi amnestieren.
Ein Vorwand
Darauf wollten sich die Sozialdemokraten in der Regierung nicht einlassen; es kam zum Streit im Ministerrat. Dabei blieb liegen, was das Kabinett eigentlich beschließen sollte: das Hinausschieben der Mehrwertsteuererhöhung auf Januar 2014. Und Berlusconi hatte seinen Vorwand, die „vertragsbrüchige“ Regierung zu stürzen.
Während Berlusconi nun auf schnelle Neuwahlen abzielt – „die Umfragen sagen uns, dass wir siegen werden!“ –, will Staatspräsident Giorgio Napolitano vor der Auflösung der beiden Parlamentskammern noch die Möglichkeiten einer alternativen Regierungsmehrheit sondieren.
Fünf freie Ministerposten
Die einzige Partei indes, die in Frage kommt – Beppe Grillos fundamentaloppositionelle „Fünf-Sterne-Bewegung“ – hat sich am Sonntag bereits versagt. Auch sie setzt auf Neuwahlen und darauf, dass sie selbst dann die Regierungsmehrheit erlangt.
Die Hoffnung richtet sich nun darauf, dass etwa 20 Überläufer aus den Reihen der „Grillini“ und aus Berlusconis eigener Partei das Fortleben der Regierung Letta sichern könnten. Letta hat nicht zuletzt fünf frei gewordene Ministerposten zu vergeben.
Berlusconis Frauen