Berlin. Zwei Tage nach der Wahl ist in Sachen Koalitionen noch alles offen. Die Bildung einer Regierung dürfte sich hinziehen. Die CSU will die Grünen nicht, die SPD tut sich schwer mit der Großen Koalition. Hannelore Kraft fällt eine Schlüsselrolle zu. Eine Bestandsaufnahme.

Zweiter Tag nach der Wahl, eine Momentaufnahme: Die blockierte Republik. Teile der SPD sperren sich gegen eine Koalition mit der Union. Gleichzeitig schließt CSU-Chef Horst Seehofer ein Bündnis mit den Grünen aus. Mit denen wollte er nicht reden, erklärte er: "Damit hat sich das." Es ist, als ob alle "Malefiz" spielen würden, jenes Brettspiel, bei dem jeder versucht dem anderen möglichst viele Sperrsteine in den Weg zu legen. Es ist das Spiel, das gerade Merkel auf dem Weg zu ihrer dritten Kanzlerschaft zugemutet wird.

Merkel kennt solche Drucksituationen aus Europa. Gut aufgeräumt zeigt sie sich ihren Abgeordneten, die Volker Kauder als Unions-Fraktionschef bestätigen. Kein Wort der Kritik, keine Fristen, keine Festlegungen: "Wir warten das Wochenende ab." Freitag berät die SPD, Samstag die Grünen.

Lauterbach verplappert sich

Merkel glaubt, dass die Zeit für sie spielt; sie nimmt nicht alles für bare Münze. Es dauert nur ein paar Stunden, bis Seehofer schon wieder geschmeidiger klingt. Auf einmal ist die SPD nur noch die "erste Präferenz", und die selbst auferlegte Kontaktsperre gilt auch nicht absolut.

Sie gilt nur für jene Spitzen-Grünen, die gerade den Wahlkampf gemacht haben. Er nennt Volker Beck und Jürgen Trittin. Wenig später erklärt Trittin seinen Verzicht auf eine neue Kandidatur als Fraktionschef. Ihn wird man fortan nur in der zweiten Reihe erleben, wie Volker Beck.

In den Unions-Reihen redet man von alten und jungen Grünen – letztere sind wohlgelitten. Man müsse sehen, wie sich die Partei sortiere, sagt CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt.

Im Bundestag ist SPD-Mann Karl Lauterbach ein gefragter Partner für TV-Sender. Er sagt, dass eine Große Koalition schwierig sei; nur denkbar, wenn man ein Maximum an SPD-Politik durchsetze. Es gebe eine Liste der "Knackpunkte", verplappertet er sich, darüber öffentlich reden, will er nicht. Einen Regierungswechsel hat die SPD verfehlt, aber auf einen Politikwechsel hofft sie immer noch.

Hannelore Kraft und ihre NRW-Partei führen die Front der Verweigerer an. Auch in der rheinland-pfälzischen SPD geben die Skeptiker den Ton an. Die Idee, die Mitglieder über eine Koalition zu befragen, wird erörtert; die Baden-Württemberger sind dafür.

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Es ist eine doppelte Drohung, nach innen wie nach außen: Die Partei- und die Fraktionsführung in Berlin, letztere mit dem wiedergewählten Frank-Walter Steinmeier an der Spitze, hätte keine Handlungsfreiheit mehr. Schon der Zeitplan würde Merkel vergrätzen.

Im günstigsten Fall würde sich so eine Befragung sechs Wochen hinziehen. "Europa wartet nicht", mahnt schon CDU-Mann Kauder. Er und Merkel hoffen, dass von einem SPD-Konvent am Freitag ein klares Signal ausgeht. "Erst das Land, dann die Partei", empfiehlt Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Gabriels Mahnung

Sigmar Gabriel greift in der Fraktion den Rat auf. "Wir können für Deutschland nur gut sein", schärft er den Abgeordneten ein, "wenn wir als Sozialdemokraten auch beisammen sind." Viele deuten es als Hinweis, dass man die Partei mitnehmen müsse.

So ist fast über Nacht eingetreten, was seit Wochen erwartet wurde: Ein neues SPD-Magnetfeld um Hannelore Kraft. Im Bundesrat führt sie die SPD-Länder an. In einer Großen Koalition würde Merkel über sie verfügen – als schwarz-grüne Regierungschefin aber müsste sie mit ihr verhandeln. Auch Kraft argumentiert in eigener Sache. Wie jeder in diesen Tagen.