Berlin. Eine Liebeshochzeit würde keine der möglichen Regierungsbündnisse werden, die sich nach der Wahl nun anbieten: Rot-Rot-Grün will offiziell niemand. Die SPD fürchtet die große Koalition aus Erfahrung, Schwarz-Grün wäre ein Experiment, das an der Basis nur schwer zu vermitteln wäre. Und eine Minderheitsregierung kommt nicht in Frage.

Weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün haben bei der Bundestagswahl eine Mehrheit für sich verbuchen können. Es bleibt daher lediglich die Möglichkeit einer großen Koalition, deren letzte Auflage der SPD bei der Wahl 2009 ihr schlechtestes Ergebnis eingebrockt hat, oder ein schwarz-grünes Bündnis. Eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei, um eine rechnerisch mögliche rot-rot-grüne Koalition zu schmieden, haben die Sozialdemokraten zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausgeschlossen. Als sehr unwahrscheinlich, aber nicht völlig ausgeschlossen gilt auch, dass es nicht zu einer Einigung auf eine Koalition kommt. Dann wären Neuwahlen wohl der letzte Ausweg. Es folgt eine Übersicht zu den Optionen.

Große Koalition

Eine Koalition aus Union und SPD ergäbe eine deutliche Mehrheit im neuen Bundestag. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel wäre diese Konstellation weniger problematisch als für die SPD, die auf einem kleinen Parteitag am Freitag über ihren weiteren Kurs entscheiden will. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat für sich persönlich bereits ausgeschlossen, wieder in ein Kabinett unter Merkel einzutreten.

Bundestagswahl 2013Vizekanzler wäre in einer solchen Konstellation damit sehr wahrscheinlich SPD-Chef Sigmar Gabriel. Davor dürften aber langwierige Debatten innerhalb der SPD stehen. Vor allem die Parteilinke tut sich schwer mit einer Neuauflage. Stolperstein könnte vor allem die Festlegung der SPD auf Steuererhöhungen sein, die Merkel ablehnt. Eine große Koalition könnte andererseits weitreichende Entscheidungen in der Europapolitik und bei der Föderalismusreform treffen. In der Euro-Politik könnte es aber ebenso zu Streit kommen, da die SPD Euro-Bonds und damit eine Vergemeinschaftung der Schulden nicht grundsätzlich ausschließt. Merkel lehnt dies kategorisch ab. Auch in der Frage, wie konsequent der Sparkurs in den Krisenstaaten eingefordert wird, liegen Union und SPD nicht auf einer Linie. Die Sozialdemokraten haben wiederholt davor gewarnt, die Krisenstaaten in Südeuropa "kaputtzusparen".

Offene Befürworter einer großen Koalition finden sich in der SPD derzeit nicht - auch aus Sorge, damit den Widerstand in Basis und im Funktionärsapparat zu schüren. Einzelne Parteilinke sähen ihre Partei lieber in der Opposition. Andere Parteilinke um den schleswig-holsteinischen Parteichef Ralf Stegner, der als Verbündeter von Parteichef Gabriel gilt, dürften es dagegen vor allem darauf anlegen, der Union besonders hohe Zugeständnisse abzuringen.

Schwarz-Grün

Das Novum eines Bündnisses der Union mit den Grünen gilt politisch als besonders interessant, aber schwierig. Dies liegt vor allem an der Bayern-Partei CSU und den Grünen, die sich gegenseitig als unmögliche Koalitionspartner ansehen. Wie bei der SPD wiegen auch hier die von den Grünen geforderten Steuererhöhungen schwer. Weiterer Streitpunkt dürfte die Energiepolitik sein. Die Grünen wollen den Ausbau der Erneuerbaren Energieträger stärker vorantreiben als die Union, die auch weiterhin auf einen Mix einschließlich Kohle setzt.

Gegen eine solche Konstellation spricht auch, dass eine schwarz-grüne Regierung den gesamten Bundesrat gegen sich hätte, weil es auf Landesebene keine Koalition dieser Art gibt. Die Grünen müssten zudem Sorge haben, dass nicht nur ihre Basis rebelliert, sondern auch ihr traditioneller Verbündeter SPD auf frontalen Oppositionskurs geht und sich damit profiliert.

Keine neue Koalition und Neuwahlen

Grundsätzlich gilt, dass die noch amtierende Bundesregierung so lange die Geschäfte führt, bis die neue angetreten ist. Würden sich die Parteien nicht auf eine Koalition verständigen und es liefe auf Neuwahlen hinaus, wäre dies auch bei der schwarz-gelben Regierung der Fall, obwohl die FDP nicht mehr im Bundestag vertreten ist. Die amtierende Bundesregierung würde dann dem neuen Bundestag ohne eigene Mehrheit gegenüberstehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt eine von SPD oder Grünen tolerierte Minderheitsregierung ab. "Deutschland braucht eine stabile Regierung", sagte Merkel nach Sitzungen der CDU- Spitzengremien am Montag in Berlin.

Das Grundgesetz sieht in Artikel 39 vor, dass der Bundestag spätestens 30 Tage nach der Wahl erstmals zusammentreten muss. Wann der Bundespräsident die Wahl eines Kanzlers vorschlägt, ist zeitlich nicht ganz genau geregelt. Normalerweise geschieht dies erst, wenn sich eine Koalition mit einer ausreichenden Mehrheit zusammengefunden hat. Erhält nach mehreren Wahlgängen weder ein vom Präsidenten oder vom Bundestag vorgeschlagener Kandidat eine Mehrheit, muss der Bundespräsident einen Kanzler ernennen oder aber Neuwahlen ansetzen.

Allerdings: Deutschland würde mit einer Minderheitsregierung oder Neuwahlen seinen Status als Euro-Stabilitätsanker aufs Spiel setzen - und damit die Zukunft des Euro. Die Finanzmärkte würden wahrscheinlich mit starker Verunsicherung reagieren. Auch Kommentatoren der Medien dürften sehr schnell darauf dringen, dass die Parteien in der Lage sein müssen, eine stabile Regierung zu organisieren - notfalls eben eine große Koalition. (rtr)