Berlin. Nach dem Fiasko der FDP bei der Bundestagswahl hat Parteichef Philipp Rösler wie erwartet seinen Rücktritt angekündigt. Das berichten verschiedene Nachrichtenagenturen und berufen sich auf Präsidiumskreise. Christian Lindner soll sein Nachfolger werden - angeblich hat er sich schon beworben.

Die FDP will mit einer komplett neuen Führungsspitze um die Rückkehr in den Bundestag kämpfen. Der bisherige Vize-Vorsitzende Christian Lindner erklärte am Montag seine Kandidatur für die Nachfolge von Parteichef Philipp Rösler, der sein Amt nach der Wahlniederlage zur Verfügung stellte. Rösler kündigte außerdem an, dass Parteipräsidium und -vorstand durch ihren geschlossenen Rücktritt zu einem Neuanfang beitragen wollen.

Der nordrhein-westfälische Landeschef Lindner kann für seine Bewerbung um den Pateivorsitz mit breiter Unterstützung rechnen. Lindner könne die Partei "aus der Lethargie reißen", sagte Vorstandsmitglied Wolfgang Kubicki. Spitzenkandidat Rainer Bürderle bezeichnete Lindner als Politiker, der "sehr wohl diese schwierige Aufgabe meistern kann". Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr sagte mit Blick auf Lindners Kandidatur: "Es ist die Stunde Null für eine neue FDP."

Rösler spricht vom "Beginn des Wiederaufstiegs einer liberalen Partei, der FDP"

Führende Vertreter der Liberalen waren sich nach der Abwahl der FDP aus dem Bundestag einig, dass die Partei eine tiefe inhaltliche und personelle Zäsur benötige. "Wir wissen, dass wir bewusst abgewählt wurden", sagte Rösler. Die FDP habe die Bürger enttäuscht. Sie müsse sich nun auch inhaltlich stärker profilieren - mit Themen wie sozialer Marktwirtschaft, mit Bildung und Bürgerrechten.

"Wenn uns das gelingt, ist es der Beginn des Wiederaufstiegs einer liberalen Partei, der FDP", sagte Rösler. Das Wählerpotenzial der FDP veranschlagte er auf 15 bis 20 Prozent. Brüderle sagte, auf den Sitzungen von Präsidium, Vorstand und Fraktion sei viel "Kampfeswillen" zu spüren gewesen. Es gebe "Zuversicht, dass wir selbstverständlich wiederkommen in vier Jahren".

Lindner soll Landtagsmandat in NRW behalten

Rösler und Brüderle wollen keine Ämter mehr in der FDP übernehmen. Eine Entscheidung über seine beruflichen Pläne habe er noch nicht getroffen, sagte Rösler. Brüderle sagte zu seiner Zukunft: "Ich werde weiter ein liberaler Mensch sein und - wenn es gewünscht ist - meiner Partei mit Rat zur Seite stehen." Beide kündigte an, nun zunächst für die bisherigen Mitarbeiter von Fraktion und Partei neue Stellen suchen zu wollen.

Die Liberalen wollen sich nach dem Ende ihrer Zeit im Bundestag vor allem um die verbliebenen Mandate auf Landes- und Kommunalebene kümmern. "Die FDP kann gar nicht anders, als dass sie sich über starke Landesverbände wieder aufbaut", sagte Minister Bahr. Lindner werde auch als neuer Bundesvorsitzender sein Mandat im nordrhein-westfälischen Landtag behalten.

Kubicki kritisiert Wahlkampfstrategie

Auf der Vorstandssitzung wurde nach Angaben von Teilnehmern Kritik an der Wahlkampfstrategie laut, die zuletzt voll auf Zweitstimmen von Unionsanhängern abzielte. "Eine Partei, die sich so kleinmacht, muss sich auch nicht wundern, dass sie klein gewählt wird", sagte Kubicki auf n-tv.

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Neben personellen Konsequenzen diskutierten die Liberalen auch eine inhaltliche Neuaufstellung. Hessens Landeschef Jörg-Uwe Hahn empfahl seiner Partei eine kritischere Haltung in der Euro-Rettungspolitik. Die FDP müsse klarmachen, dass sie zwar den Euro befürworte, aber "nicht mit deutschen Geldern Schulden finanzieren" wolle.

Frank Schäffler will um eurokritische Wähler kämpfen

Der eurokritische Abgeordnete Frank Schäffler sagte, seine Partei müsse nun jene Wähler zurückgewinnen, die zur Anti-Euro-Partei AfD abgewandert seien. "Es wird einen Richtungsstreit in der FDP geben müssen", sagte er zum "Focus". "Diesen Zielkonflikt müssen wir austragen."

Wann die personelle Neuordnung der FDP vollzogen werden soll, war zunächst noch unklar. Der für Januar geplante Sonderparteitag zur Europawahl könnte vorgezogen werden, um die Parteiführung neu zu bestimmen, hieß es in Parteikreisen.

Die FDP hatte bei der Bundestagswahl am Sonntag eine historische Niederlage erlitten: Mit 4,8 Prozent scheiterte sie an der Fünf-Prozent-Hürde und wird damit erstmals nicht im Bundestag vertreten sein.

Das Wahl-Fiasko der FDP

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Die FDP von Spitzenkandidat Rainer Brüderle und Parteichef Philipp Rösler blieb mit dem schwächsten Ergebnis ihrer Geschichte unter der Fünf-Prozent-Hürde.
Die FDP von Spitzenkandidat Rainer Brüderle und Parteichef Philipp Rösler blieb mit dem schwächsten Ergebnis ihrer Geschichte unter der Fünf-Prozent-Hürde. © dpa | dpa
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Die FDP von Spitzenkandidat Rainer Brüderle und Parteichef Philipp Rösler blieb mit dem schwächsten Ergebnis ihrer Geschichte unter der Fünf-Prozent-Hürde. © dpa | dpa
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Die FDP von Spitzenkandidat Rainer Brüderle und Parteichef Philipp Rösler blieb mit dem schwächsten Ergebnis ihrer Geschichte unter der Fünf-Prozent-Hürde. © Getty Images | Getty Images
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Die FDP von Spitzenkandidat Rainer Brüderle und Parteichef Philipp Rösler blieb mit dem schwächsten Ergebnis ihrer Geschichte unter der Fünf-Prozent-Hürde. © AFP | AFP
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Die FDP von Spitzenkandidat Rainer Brüderle und Parteichef Philipp Rösler blieb mit dem schwächsten Ergebnis ihrer Geschichte unter der Fünf-Prozent-Hürde. © dpa | dpa
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Rösler hatte das FDP-Ruder 2011 übernommen

Die Sprossen der Karriereleiter hatte Rösler schnell erklommen, vielleicht zu schnell. In den vergangenen zweieinhalb Jahren war er FDP-Chef, Vizekanzler und Wirtschaftsminister. Höher kann ein Liberaler in Deutschland kaum steigen - es sei denn, er würde Bundespräsident.

Im Mai 2011 hatte Rösler das FDP-Ruder in schwerer Zeit übernommen. Die Partei hatte einen historischen Absturz erlebt - vom Rekordergebnis bei der Bundestagswahl von 14,6 Prozent auf unter fünf Prozent in den Umfragen. Hinzu kamen zahlreiche Wahlniederlagen in den Bundesländern. Die Mehrheit der Partei sah die Schuld dafür beim Vorsitzenden Guido Westerwelle. Von der damaligen jungen Troika um Rösler, dem damaligen Generalsekretär Christian Lindner und dem heutigen Gesundheitsminister Daniel Bahr wurde er zum Rückzug gedrängt.

Steile Karriere innerhalb weniger Jahre

Beim Parteitag im Mai 2011 in Rostock wurde Rösler schließlich bejubelt und mit gut 95 Prozent zum Vorsitzenden gewählt. Vollmundig versprach der jüngste Parteichef in der Geschichte der Liberalen: "Ab heute wird die FDP liefern." Ein Satz, der ihm später von Kritikern noch vorgehalten wurde.

Zum Zeitpunkt der Übernahme des FDP-Vorsitzes und des Wirtschaftsministeriums war Rösler lediglich eineinhalb Jahre in Berlin, nachdem ihn Westerwelle 2009 überraschend zum Gesundheitsminister gemacht hatte. Davor hatte der in Vietnam geborene Rösler eine steile Karriere in Niedersachsen hingelegt - vom Generalsekretär und Fraktionschef bis hin zum Landesvorsitzenden, Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsidenten.

Weg vom Image der Steuersenkungspartei

Als Parteichef gelang es ihm aber nicht, das Schiff aus dem schwierigen Fahrwasser zu manövrieren. Beinahe permanent dümpelte die Partei an der Fünf-Prozent-Hürde herum.

Als Rösler sein Amt antrat, wollte die Partei weg vom jahrelang gepflegten Image der Steuersenkungspartei und sich thematisch breit aufstellen. Unter seiner Führung versuchte sie, sich als strenge Haushaltskonsolidiererin gegen neue Steuern und höhere Schulden zu profilieren.

Doch schon kurz nach seiner Wahl kam in regelmäßigen Abständen eine Diskussion über seine Führungsqualitäten auf, angezettelt von den Parteifreunden. Vor und hinter den Kulissen wurde auf seinen Ausrutschern herumgeritten.

Bei einer Niederlage in seinem Heimatbundesland Niedersachsen im Januar wäre Rösler schon nicht mehr zu halten gewesen. Doch er fuhr dort 9,9 Prozent ein - dank einer Zweitstimmenkampagne, die bei der Bundestagswahl nicht verfing.

Abschaffung von Wehrpflicht und Praxisgebühr

Zudem sicherte er sich gestärkt durch diesen Erfolg durch einen geschickten Schachzug sein Amt: Er seinem damaligen Kontrahenten Rainer Brüderle den Vorsitz an, dieser jedoch fühlte sich überrumpelt und lehnte ab. Beide verständigten sich auf eine Tandem-Lösung. Von da an herrschte im Sinne eines Burgfriedens Ruhe in der Partei.

Trotz aller Kritik hatte die FDP unter Rösler auch Erfolge vorzuweisen. Die Abschaffung der Wehrpflicht etwa geht auf ihren Druck zurück. Im November vergangenen Jahres gelang es ihr, die Abschaffung der Praxisgebühr gegen den Widerstand der Union durchzusetzen. Auf der Haben-Seite der FDP steht auch die Nominierung von Joachim Gauck zum Bundespräsidenten-Kandidaten. (afp/rtr/dpa)