Berlin. Nach dem zweitschlechtesten Wahlergebnis ihrer Geschichte, bleibt für die SPD derzeit nur ein Trost: die Aussicht auf eine mögliche Koalitionsbeteiligung. Am Freitag soll auf einem kleinen Parteitag die Marschroute beraten werden - möglicherweise endet die aber auch in der Opposition.
Das Ergebnis für die SPD ist enttäuschend, nur die Aussicht auf eine mögliche Regierungsbeteiligung bewahrt die Parteispitze zunächst vor größerer Tristesse – und einer Führungskrise. „Ja wir haben zugelegt“, ruft SPD-Chef Sigmar Gabriel im überfüllten Willy-Brandt-Haus, „aber wir haben uns mehr erwartet.“ Der Beifall ist freundlich, mehr nicht.
Sicher, Schwarz-Gelb ist weg, aber die SPD hat das zweitschlechteste Ergebnis ihrer bundesdeutschen Geschichte eingefahren, der Abstand zur Union hat sich noch einmal vergrößert, selbst der engagierte Endspurt hat nichts mehr gebracht. Trotzdem ruft Gabriel dem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück nun zu: „Du bist ein Pfundskerl. Du hast einen fantastischen Wahlkampf gemacht.“ Ein paar Genossen rufen sogar: „Danke Peer“. Steinbrück lächelt dankbar, er ist sichtlich froh, diesen holprigen Wahlkampf endlich hinter sich zu haben. Steinbrück ist es aber auch, nicht Parteichef Gabriel, der schnell vorausblickt und schnell auf die heikle Koalitionsfrage zielt: „Der Ball liegt im Spielfeld von Frau Merkel – sie muss eine Mehrheit besorgen“. Der gescheiterte Kanzlerkandidat mahnt seine Partei, jetzt „keine Spielchen“ zu machen – Maßstab müsse eine ökonomische, vernünftige und gerechte Politik sein.
Rot-Rot-Grün ist ausgeschlossen
Die Botschaft, zuvor abgesprochen im Parteivorstand, ist klar: Ein Koalitionsangebot an die Union wird die SPD von sich aus nicht machen. Aber Rot-Rot-Grün, auch wenn es am Ende des unübersichtlichen Wahlabends rechnerisch möglich wäre, ist ausgeschlossen. „Das wäre heller Wahnsinn, weil eine Mehrheit viel zu knapp und wacklig wäre“, sagt ein Spitzenmann. Die Große Koalition scheint den Genossen möglich, aufdrängen aber wird sich die SPD nicht – sie will gebeten werden und dann, trotz des schwachen Abschneidens, den Preis so hoch wie möglich treiben. Denn während die Spitzenleute sich auf ein Bündnis mit der Union schon lange einstellen, ist die Neuauflage dieser Koalition an der Basis höchst umstritten; auch in den Ländern gibt es Vorbehalte, in Berlin könnte Rot-Grün in den Ländern schaden. „Auf keinen Fall darf der Eindruck von Hinterzimmer-Entscheidungen entstehen“, heißt es in der Parteiführung.
Bei einem kleinen Parteitag am Freitag soll deshalb mit der Basis über die Marschroute beraten werden – auch die von einigen befürwortete Alternative, im Zweifel lieber kraftvolle Opposition gegen Schwarz-Grün zu machen. Die Parteilinke will am Freitag zudem den Antrag stellen, dass ein möglicher Koalitionsvertrag per Mitgliederentscheid abgesegnet werden muss. Klar ist, dass Bedingungen für Schwarz-Rot gestellt würden: Erhöhung des Spitzensteuersatzes, Mindestlohn, Solidarrente – unerfüllbar sind diese Forderungen nicht. Sechs Minister würde die SPD wohl fordern. Aber wer ins Kabinett rücken würde, das ist einstweilen offen.
Spekulationen unter Genossen
Als wahrscheinliches Szenario gilt zwar, dass Parteichef Gabriel als Vizekanzler ins Kabinett geht, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier würde auf eigenen Wunsch sein Amt behalten. Peer Steinbrück bekräftigte am Sonntag, er werde einem Merkel-Kabinett auf keinen Fall angehören. Aber, versprach er: Er werde „an Deck bleiben“ und „Verantwortung übernehmen“ – ob das nur für die Koalitionsverhandlungen gilt oder ob Steinbrück womöglich Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz hat, wird unter Genossen bereits spekuliert.