München. CSU-Chef Horst Seehofer erobert die absolute Mehrheit zurück, stärkt die eigene Position und kann jetzt in Berlin selbstbewusster denn je auftreten. Für die FDP und die SPD ist dieser Wahlabend bitter. Die Freien Wähler hingegen etablieren sich in der Landespolitik. Eine Analyse.

Für Horst Seehofer (64) war die bayerische Landtagswahl ja schon vorab die „Mutter aller Schlachten“. Er muss ein sehr sicheres Gefühl für die Stimmung im Freistaat gehabt haben. Nach dem 43,4-Prozent-Debakel des Vorgängerduos Huber/Beckstein im Jahr 2008 zieht der aktuelle CSU-Chef jetzt im Triumph für weitere fünf Jahre in die Staatskanzlei ein.

Für Seehofer sind die eindeutigen Hochrechnungen von gestern Abend gleich eine dreifache Genugtuung.

Erstens: Er wird ohne die lästige FDP regieren können. Die bayerischen Liberalen haben die fünf Jahre Koalition mit der „Staatspartei“ politisch nicht überlebt. Der Freistaat kehrt damit zur politischen Tradition zurück: Von 1962 bis 2008, fast fünfzig Jahre, war die absolute CSU-Mehrheit gesichert.

Zweitens: Der Ministerpräsident hat es den eigenen Reihen gezeigt. Die CSU hat ihm über weite Strecken eher misstraut. Einer, der mit einer anderen als der eigenen Ehefrau ein Kind zeugt? Als Edmund Stoiber 2007 zurücktrat, Seehofer auf dem CSU-Parteitag Nachfolger werden wollte, straften sie ihn auch dafür ab. Magere 39 Prozent der Delegierten gaben ihm ihr Ja. Erwin Huber wurde Partei-, Günter Beckstein Regierungschef. Als die beiden in der Wahl vor fünf Jahren scheiterten, musste Seehofer die nervöse CSU psychisch wieder aufbauen. Das ist gelungen.

Drittens: Er kann mächtiger denn je in Berlin auftreten. Den Wählern hat seine CSU schon im Straßenwahlkampf auf einem vierseitigen Flyer geschildert, welche Forderungen aus dem Süden in ei­ner möglichen künftigen Merkel-Koalition aufschlagen werden.

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Volksabstimmungen über wichtige europäische Fragen gehören ebenso dazu wie tarifliche Mindestlöhne, die differenziert nach Branche und Region ausfallen. Das bedeutet: kein gesetzlicher Mindestlohn. Die Mütterrente soll beschlossen werden, das Großziehen von Kindern bei der Rente keinen Nachteil bringen. Die „kalte Progression“ will die CSU mindern, also den Mittelstand von Steuern entlasten. Generell will Seehofer keine Steuererhöhungen, auch keine höheren Schulden. Die Erbschaftssteuer soll nicht vom Bund, sondern von Ländern in eigener Regie geregelt werden, Schulden im Euro-Raum sollen nicht „vergemeinschaftet“ werden.

Am Ende schließlich die brisantesten Erwartungen: die Abschaffung der doppelten Staatsangehörigkeit und die Pkw-Maut für Ausländer. Inländer, so Seehofers Plan, bekommen die Vignette als Quittung für die Kfz-Steuer.

Umstrittene Beweglichkeit

Der Mann, der als Sohn eines Lkw-Fahrers und einer Putzfrau aus einfachsten Verhältnissen stammt, der nie studierte und der nur einen „Dr. h.c.“ der chinesischen Universität Quingdao vor dem Namen tragen darf, hat ein natürliches Machtgefühl – und keine Scheu, den Menschen nach dem Mund zu reden. Reihenweise kippte er im Wahlkampf alte eigene Positionen, wenn er Widerstand spürte. Die Studiengebühr hat er auf diese Weise genauso abgeschafft wie die bisherige Regelung für den Abstand von Windrädern zur Wohnbebauung. Der ist jetzt viel größer.

Allerdings ist die umstrittene Beweglichkeit des Ministerpräsidenten (SPD-Kritik: „Drehhofer“) auch einer neuen Landtagspartei zu verdanken: den Freien Wählern. Sie sind 2008 mit bemerkenswerten zehn Prozent ins Maximilianeum eingezogen – und haben diesen Erfolg gestern fast wiederholen können. Ihr Chef Hubert Aiwanger ist damit zur festen Größe der Landespolitik geworden. Einen Großteil der Rathäuser im Freistaat beherrschen sie ohnehin.

Neben der FDP hat Christian Ude den herbsten Absturz hinter sich. Im Frühjahr konnte sich der langjährige Münchner SPD-Oberbürgermeister nach Umfragen die Hoffnung machen, gemeinsam mit Freien Wählern und Grünen eine Regierung bilden zu können und die CSU in die Opposition zu schicken. Am Ende hat es für ihn nur für ein paar Ehrenpunkte gereicht, die das 2008er-Ergebnis, das miserabelste seit Bestehen von Nachkriegs-Bayern, etwas aufhübschen.

Allerdings ist eine Niederlage bei Bayernwahlen kurz vor einer Bundestagswahl für Sozialdemokraten kein schlechtes Omen. 1998 unterlag Renate Schmidt dramatisch – die SPD übernahm kurz darauf mit Schröder die Macht in Berlin.