Berlin.. Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt die Autobahnmaut offenbar doch nicht so klar ab, wie sie das im TV-Duell mit SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück noch erklärt hat. Im Bayerischen Rundfunk hat Merkel jetzt einen Kompromiss mit CSU-Chef Seehofer angedeutet, der eine Autobahnmaut fordert.

Wie war das noch beim Kanzlerduell im Fernsehen? Angesprochen auf das Thema Autobahnmaut, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel, mit ihr werde es eine bundesweite Autobahnmaut für Pkws nicht geben. Nun, knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl am 22. September hat Merkel ihre Ansicht jetzt offenbar geändert.

Im unionsinternen Streit um die Pkw-Maut hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Einlenken angedeutet. "Kluge Politik bringt immer auch verschiedene Sichtweisen zusammen", ließ Merkel am Dienstag im Bayerischen Rundfunk Bereitschaft zu einem Kompromiss erkennen. CSU-Chef Horst Seehofer begrüßte in der "Passauer Neuen Presse", dass Merkel nun zu Gesprächen über eine Pkw-Maut bereit sei.

Merkel hatte bislang die Forderungen Seehofers nach einer Pkw-Maut abgelehnt. "Erstens, wir wollen die deutschen Autofahrer nicht stärker belasten, und zweitens, wir brauchen mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur", sagte sie nun in dem Interview für die Sender BR1 und BR3. Eine Vignette, wie sie Seehofer vorschlage, sei aber nicht für alle Regionen Deutschlands geeignet. "Vertrauen Sie mir - wir werden eine Lösung finden", hob Merkel jedoch hervor. Wie eine solche Lösung aussehen könnte, ließ sie offen.

Merkel kommt bei Autobahnmaut der CSU entgegen

"Ich begrüße die Aussage der Kanzlerin außerordentlich und bin sehr erfreut", sagte Seehofer dazu der "Passauer Neuen Presse" vom Mittwoch. Dem Bericht zufolge werden in der CSU die neuen Äußerungen Merkels als Rückzug von ihrer bisherigen Position interpretiert.

Positiv zur Pkw-Maut äußerte sich auch erneut Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Zwar sei er gegen eine Mehrbelastung für Autofahrer, aber Hessen könne "das Geld gut gebrauchen", sagte er dem Sender HR-Info.

Einen Dämpfer erhielt allerdings das Vorhaben Seehofers, mit der Pkw-Maut ausländische Autofahrer zu belasten, für Deutsche aber einen Ausgleich zum Beispiel durch eine Senkung der Kfz-Steuer zu schaffen. Ein solches Vorgehen sei "europapolitisch erheblichen Risiken ausgesetzt", zitierte die Zeitung "Die Welt" am Dienstag dazu aus einem Vermerk des Bundesjustizministeriums. Darin wurde auf das Verbot einer Diskriminierung von Ausländern hingewiesen.

"Seehofer belügt die Wähler"

Zwar müssten nach dem CSU-Vorschlag Deutsche und Ausländer formal dieselbe Maut zahlen, "die unmittelbare Kompensation einer Mehrbelastung durch eine Steuersenkung nur für Inländer lässt sich jedoch als Umgehung des Diskriminierungsverbots ansehen", heißt es laut "Welt" in dem Vermerk weiter. Auch dies wäre demnach europarechtlich unzulässig. Mindestens müssten beide Sachverhalte zeitlich und inhaltlich "entkoppelt" werden. Vollkommen unbedenklich wäre es aber demnach lediglich, wenn Deutsche und Ausländer tatsächlich in gleicher Weise belastet würden.

"Jetzt ist es amtlich: Seehofer belügt die Wähler", erklärte dazu der bayerische SPD-Chef Florian Pronold. Es sei jetzt eindeutig, dass Seehofers Pläne für eine Pkw-Maut nur für Ausländer rechtswidrig seien.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) stellte sich hinter einen Vorschlag von Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin für eine Ausweitung der Lkw-Maut auch auf Bundesstraßen. "Die Einbeziehung weiterer Streckenabschnitte könnte Schritt für Schritt erfolgen, sobald die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen sind", sagte Ramsauer der "Augsburger Allgemeinen" vom Dienstag.

ADAC wirft Kanzlerin bei Autobahnmaut Wortbruch vor

Trittin hatte am Montag gefordert, die Lkw-Maut auch auf allen Bundesstraßen zu erheben, die als Ausweichrouten für Autobahnen benutzt werden. Mit dem Geld könnten dann nach dem Verursacherprinzip marode Brücken repariert werden.

Ulrich Klaus Becker, ADAC Vizepräsident für Verkehr, sieht mit ihrer Kompromiss-Andeutung die Bundeskanzlerin nun "auf dem besten Weg, Wortbruch zu begehen und ohne Not weiteres Vertrauen zu verspielen". Merkel sei vor CSU-Chef Seehofer eingeknickt, kritisiert Becker. Schließlich habe Merkel "erst vor zehn Tagen" vor fast 18 Millionen TV-Zuschauern erklärt, mit ihr sei eine Autobahnmaut nicht zu machen. "Wieso sollten Deutschlands Autofahrer bei der Wahl (so) jemandem ihre Stimme schenken", fragt nun der ADAC. Becker appelliert deshalb "an den gesunden Menschenverstand der Bundeskanzlerin, endlich wieder auf den richtigen Weg zurückzufinden und diesem bayerischen Wahlkampf-Unsinn endgültig Einhalt zu gebieten." (afp/WE)

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Von Wilfried Goebels, Matthias Korfmann und Theo Schumacher