München. Während die CSU auf eine absolute Mehrheit hofft, versucht mit dem Spitzenkandidaten Christian Ude die SPD vergeblich, mit Sozialthemen zu punkten. Doch gegen Horst Seehofer hat der langjährige Münchner Oberbürgermeister keine Chance.

„Mei, sie haben unser Krankenhaus zugsperrt“, sagt die alte Dame im Regionalzug. Sie hat es an den Augen, muss jetzt für nötige Spezialuntersuchungen von Marktoberdorf im Allgäu entweder 80 Kilometer nach Augsburg reisen oder 100 Kilometer nach München. Die ärztliche Dienstleistung gibt es wohnortnah nicht mehr.

Bayern ist die Vorstufe zum Paradies, hat Horst Seehofer gesagt. Mit der geringsten Arbeitslosigkeit, den besten Schulnoten, den solidesten Finanzen, der schönsten Landschaft und mit der Umfrage, dass zwei Drittel der Deutschen bevorzugt im Freistaat leben möchten. In diesen Wahlkampftagen wiederholt die CSU das alles gerne in jedem Bierzelt. Doch dass es Probleme gibt, weiß neben der alten Dame aus Marktoberdorf auch das junge Paar, das in München ein Plakat an die Laterne geklebt hat. Es sucht: Eine Dreizimmer-Wohnung, „max. 1700 Euro warm“. Es bietet: 1000 Euro Belohnung.

In Umfragen kommt die CSU auf 47 Prozent. Die SPD auf 26

Teures Wohnen, eine bei Schulen und Kliniken schrumpfende ländliche Infrastruktur, Staus auf bröselnden Autobahnen – es gibt strittige Themen, wenn neun Millionen Bayern Sonntag den Landtag wählen. Aber Steilvorlagen für die Opposition? Bestimmt nicht.

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Vier Tage vor dem Entscheid geht es darum, ob die Dauer-Regierungspartei des Ministerpräsidenten nach fünf Jahren Zwangsehe mit der FDP wieder alleine herrscht. Die Chancen für Horst Seehofer stehen gut, das für CSU-Verhältnisse unterirdische 43-Prozent-Ergebnis von 2008 zu tilgen. 47 Prozent geben ihm die Demoskopen heute, 26 Punkte vor Herausforderer Ude. Zur Not stünden diesmal wohl auch Freie Wähler als Partner in Reichweite. Deren Chef Hubert Aiwanger hat mit den Sozialdemokraten geflirtet. Bevor es intimer wurde, haben ihn eigene konservative Mitglieder gestoppt.

„Drehhofers“ Volten

Christian Ude, der SPD-Mann und Oberbürgermeister, der seit 20 Jahren München ohne jede Skandale regiert und das jetzt in ganz Bayern will, kämpft in einem weißen Bus um seinen Anspruch. „Genau: Ude“, steht drauf. Mittags ist er im Norden unterwegs und abends in der Hauptstadt, auch wenn er mal in einem 16-Kilometer-Stau steckt und zu spät zur Eröffnung des Isarinselfestes kommt, das die Sozialdemokraten und ihre Freunde organisiert haben. Arbeiter-Samariter und Mieterbund machen hier mobil, werben für „soziale Gerechtigkeit“, die sie im reichen Süden der Republik vermissen. Die SPD bedankt sich mit gewagten Ankündigungen: „Wir werden die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verbieten“.

Die Linken in Bayern mögen hinter Ude stehen. Die Linke selbst hat keine Chance auf ein Landtagsmandat. Aber das hilft dem Mann nicht. Mal ist er ungelenk, verlegt in Wahlkampfreden Aschaffenburg von Unter- nach Oberfranken und verdreifacht die Einwohnerzahl von Bamberg. Vor allem perlt Ude an Horst Seehofer ab.

Seehofer, der „Drehhofer“

Landesväter mit Ecken und Kanten mag der Freistaat. Dieser hier ist: Aalglatt. „Drehhofer“, sagt die Opposition. Brisante Pläne wischt er, wird der Gegenwind steif, weg. Die Strategie: Ruhe um jeden Preis.

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Studiengebühren? Abgeschafft. Ausbau der Donau? Unnötig. Windkraft in Wohngebieten? „Ich lasse mir nicht die Landschaft zuspargeln“. Den Grünen in Tegernsee hat er die Kampagne verhagelt, nachdem sie sich auf einen Speicherteich-Plan eingeschossen hatten. Das Projekt wurde gekippt. Und als der Streit um eine acht- oder neunjährige Gymnasialzeit eskalierte, erfand die CSU das Flexi-Abitur. Damit geht beides.

„Wenn Sie bei uns abschreiben, kommt Gutes dabei raus“, hat Ude verzweifelt im TV-Duell mit dem Regierungschef gerufen. Seehofer grinste vernichtend: „Demokraten müssen gesprächsbereit sein“.