Berlin. Zwei Wochen vor der Bundestagswahl sind mehrere tausend Menschen auf die Straße gegangen, um für mehr soziale Gerechtigkeit zu demonstrieren - als Signal für einen “Politikwechsel“. Arbeitgeber warnen indes vor einer “Rolle rückwärts“. Und die Union attackiert die Gewerkschaften.

Mehrere tausend Menschen haben am Samstag für mehr soziale Gerechtigkeit demonstriert. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der dazu aufgerufen hatte, sprach von über 20 000 Teilnehmern bundesweit. Mit den Demonstrationen wollte der DGB ein Zeichen für einen "Politikwechsel" setzen. Die größte Kundgebung fand in Hannover statt.

Eine direkte Wahlempfehlung spricht der - nach eigenem Verständnis parteipolitisch neutrale - DGB zwar nicht aus. DGB-Positionen finden sich aber vor allem in den Wahlprogrammen von SPD, Grünen und Linkspartei. Konkret fordern die Gewerkschaften einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro, Maßnahmen gegen Alters- und Lohnarmut sowie eine Mietpreisbremse. Unionspolitiker warfen dem DGB vor, sich auf die Seite von Rot-Grün zu schlagen.

Für Mindestlohn, sichere Renten und soziales Europa

Der DGB und sieben seiner Mitgliedsgewerkschaften forderten bei dem Aktionstag unter anderem den gesetzlichen Mindestlohn, eine sichere Rente und ein soziales Europa. In der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover gingen rund 13 000 Menschen auf die Straße. In Berlin demonstrierten rund 2000 Menschen vor dem Brandenburger Tor. Auch in Frankfurt/Main und München fanden Veranstaltungen mit mehreren tausend Teilnehmern statt.

Helga Schwitzer, Vorstandsmitglied der IG Metall, warf der Bundesregierung in Hannover eine falsche Rentenpolitik vor: "Nicht einmal jeder Dritte kann sich vorstellen, bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter zu arbeiten. 42 Prozent fürchten, dass ihre Rente später nicht reicht." Die Entscheidung für die Rente mit 67 Jahren sei falsch, betonte sie und forderte stattdessen flexible Ausstiegsmöglichkeiten.

Bsirske fordert höhere Steuern für Reiche

Der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske verlangte bessere Spielregeln für den Arbeitsmarkt: "Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn von zunächst 8,50 Euro pro Stunde. Die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen in den Branchen muss erleichtert werden. Und wir brauchen verlässliche und Existenz sichernde Beschäftigung, gleiche Bezahlung für Leiharbeit."

Im Interview der Wirtschaftszeitung "Euro" forderte Bsirske eine schärfere Besteuerung großer Vermögen und Kapitaltransfers in Deutschland. Als Beispiel nannte er die Einführung einer Vermögensteuer. "Diese würden wir oberhalb von einer Million Euro Nettovermögen bei zehn Prozent, oberhalb von zehn Millionen bei 20 Prozent und oberhalb von 100 Millionen Euro Nettovermögen bei 30 Prozent ansetzen", sagte er.

Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall warnte mit Blick auf die Demonstrationen vor einer "Rolle rückwärts" auf dem Arbeitsmarkt. Verbandspräsident Rainer Dulger sprach sich in einem Interview der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) gegen zentrale Forderungen der Gewerkschaften und der Opposition aus. "Ein gesetzlicher Mindestlohn erhöht die Jugendarbeitslosigkeit, schlägt Geringqualifizierten die Tür vor der Nase zu und drängt sie ins Arbeitsmarkt-Aus." (dpa)