Berlin. Nach dem mutmaßlichen Giftgas-Einsatz in Syrien wird immer heftiger über einen internationalen Militäreinsatz spekuliert. Die Bundesregierung erklärt sich jetzt zu “Konsequenzen“ bereit. “Er muss geahndet werden. Er darf nicht folgenlos bleiben“, sagte der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Steffen Seibert, am Montag in Berlin.

Deutschland ist nach Angaben von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Konsequenzen gegen Syrien bereit, falls sich die Giftgasvorwürfe gegen Machthaber Baschar al-Assad bestätigen. "Es handelt sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um einen Giftgas-Angriff. Er darf nicht folgenlos bleiben", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Die Bundesregierung ließ jedoch offen, wie solche Konsequenzen aussehen könnten.

Einen internationalen Militäreinsatz mit Beteiligung der Bundeswehr sieht die schwarz-gelbe Koalition bislang mit größter Zurückhaltung. Im Vordergrund steht für Berlin immer noch die Suche nach einer Lösung am Verhandlungstisch. Seibert sagte: "Wir wollen alles, was wir können, dazu beitragen, damit es eine politische Lösung gibt." Die Hoffnung ruht insbesondere darauf, dass Russland Assad doch noch fallen lässt.

Rufe nach Militärintervention in Syrien werden lauter 

Nach dem mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen in Syrien mehren sich die Rufe nach einem internationalen Militärangriff. Während UN-Inspektoren am Montag vor Ort mit der Prüfung der Vorwürfe gegen die syrische Regierung begannen, forderten mehrere hochrangige westliche Politiker eine angemessene Antwort.

Besonders deutlich wurde Großbritanniens Außenminister William Hague: Es sei auch ohne den einstimmigen Rückhalt des UN-Sicherheitsrates möglich, auf einen Giftgas-Einsatz zu reagieren. Andernfalls könne es unmöglich werden, "auf solche Gräueltaten, auf solche Verbrechen zu reagieren".

Sein US-Kollege Chuck Hagel betonte allerdings, die USA würden nur gemeinsam mit den internationalen Partnern und auf einer klaren Rechtsgrundlage handeln. In amerikanischen Regierungskreisen hieß es, Hagel wolle hierüber mit seinen Kollegen in Großbritannien und Frankreich sprechen.

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Die Rebellen werfen den Truppen von Präsident Baschar al-Assad vor, vergangenen Mittwoch östlich von Damaskus Hunderte Menschen mit Giftgas getötet zu haben. In mehreren Ländern wird davon ausgegangen, dass die Anschuldigungen zutreffend sein könnten. US-Außenminister John Kerry etwa sagte, es gebe kaum Zweifel, dass Assads Truppen die eigene Bevölkerung mit Giftgas getötet hätten.

Assad selbst wies die Vorwürfe zurück. "Welcher Staat würde Chemiewaffen oder andere Massenvernichtungswaffen an einem Ort einsetzen, an dem seine eigenen Truppen konzentriert sind?" So ein Vorgehen wäre vollkommen unlogisch, sagte er der russischen Zeitung "Iswestia". Er warnte die USA vor einem militärischen Eingreifen. Sie würden scheitern, so wie dies auch "bei all den anderen Kriegen, die sie ausgelöst haben, angefangen mit Vietnam bis in die Gegenwart" der Fall gewesen sei.

Schüsse auf UN-Inspektoren 

Ob tatsächlich Chemiewaffen zum Einsatz kamen, sollen die UN-Inspektoren herausfinden, die bereits vor Tagen in Damaskus eintrafen. Am Wochenende bekamen sie dafür nach langem Zögern grünes Licht von der syrischen Regierung. Es wird befürchtet, dass womöglich in der Zwischenzeit Beweise vernichtet wurden.

Wie gefährlich die Arbeit der Experten ist, unterstrich ein Vorfall kurz nach deren Aufbruch in das von den Rebellen gehaltene Östliche Ghuta am Rande von Damaskus, wo sich nach Angaben der Aufständischen der Giftgas-Angriff ereignet haben soll.

Unbekannte Scharfschützen nahmen den sichtbar als UN-Konvoi gekennzeichneten Fahrzeugtross unter Beschuss, wie ein UN-Sprecher sagte. Ein Wagen sei beschädigt worden. Eigentlich hatten Rebellen und Regierungstruppen unabhängig voneinander eine Waffenruhe erklärt, so lange die Inspektoren vor Ort seien.

US-Präsident Barack Obama hatte den Einsatz von Chemiewaffen als "rote Linie" bezeichnet, eine konkrete Reaktion bislang jedoch offengelassen. Die US-Streitkräfte in der Region wurden in den vergangenen Tagen verstärkt. Verteidigungsminister Chuck Hagel zufolge sind die Vereinigten Staaten auf ein militärisches Eingreifen in Syrien vorbereitet, sollte sich Obama dafür entscheiden. Ein hochrangiger republikanischer US-Senator sagte, er gehe davon aus, dass der Präsident den Kongress um Zustimmung für einen Militärschlag bitten werde, wenn die Parlamentarier aus der Sommerpause zurückkehren.

Russlands Außenministerium äußerte sich besorgt, dass die USA militärisch in Syrien eingreifen könnten. Die Regierung in Washington solle sich zurückhalten und nicht zu Provokationen hinreißen lassen. Russland hat erklärt, es wäre ein "tragischer Fehler", vorschnelle Schlüsse über Verantwortliche zu ziehen, Auch die Rebellen könnten hinter dem mutmaßlichen Chemiewaffenangriff stecken.

Russland ist einer der wichtigsten Unterstützer Assads. Es liefert Waffen nach Damaskus und hat gemeinsam mit China per Veto mehrere Resolutionen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegen die syrische Führung zu Fall gebracht. Vergangene Woche verhinderten Russland und China auch, dass das Gremium wie von westlichen Staaten angeregt explizit eine UN-Untersuchung der Vorwürfe fordert.

In der abgeschwächten Erklärung wurde lediglich eine Aufklärung der Angelegenheit verlangt. Diesen Widerstand gaben die beiden Vetomächte aber mittlerweile auf. So erklärte letztlich auch China, eine unabhängige und objektive Überprüfung der Vorwürfe durch UN-Inspektoren zu unterstützen. (rtr/dpa)