Dortmund. . Durch den doppelten Abiturjahrgang wird es eng an den Universitäten. Fast jedes Fach ist inzwischen mit Zulassungsbeschränkungen belegt. Für einige Studenten ist die Klage auf einen begehrten Studienplatz eine Option.
Dieses Jahr drängen durch den doppelten Abiturjahrgang besonders viele junge Leute an die Hochschulen in NRW. Für sie wird es jetzt ernst, wenn die Unis in diesen Tagen die Zulassungsbescheide verschicken. Viele werden am Numerus clausus ihres Wunschfaches scheitern: Wer sich damit nicht zufrieden geben will, dem bleibt noch die Klage.
Aber: Mithilfe eines Anwalts einen Studienplatz zu erstreiten, kommt selten vor. Gerade mal 18 Klagen gingen gegen die FH Dortmund im Jahr 2012 ein – bei knapp 3000 Erstsemestern. Dennoch ist die Tendenz steigend: Im Jahr zuvor waren es noch vier Klagen, bei etwa 2600 Erstsemestern. Doch wie funktionieren solche Klagen eigentlich?
Dass reguläre Zulassungsverfahren nicht der einzige Weg ins Studium sind, weiß Anna Bayer. Die 25-jährige Bochumerin studiert seit 2009 an der TU Dortmund Mathematik und Englisch auf Lehramt für Sonderschulen: Für den Einstieg ins Studium war sie bereit, rechtliche Schritte einzuleiten.
Praktikum statt Studienstart
Nach ihrem Abitur 2007 bewarb die Studentin sich an der Dortmunder Universität. Mit ihrem Noten-Schnitt von 2,6 scheiterte sie am Numerus clausus – der lag bei 2,3. Bewerber mit vier Wartesemestern wurden dennoch zugelassen. Also entschloss sich Anna Bayer, ein Jahr abzuwarten, um dann mit dem Studium zu starten – eine unzureichende Abi-Note, so dachte sie, sei immerhin selbst verschuldet und praktische Erfahrungen zu sammeln immer sinnvoll.
Während des Jahrespraktikums in der Dortmunder Langermannschule bekam sie erstmals einen Eindruck dessen, was sie nach vollendetem Studium in der Arbeitswelt erwarten würde. Zum Wintersemester 2008/2009 bewarb sie sich dann erneut – und wurde abgelehnt. Ein weiteres Jahr später wähnte sie sich zum Wintersemester 2009 eines Platzes sicher – sie hatte ja nun vier Wartesemester vorzuweisen. Doch keine Chance: wieder eine Absage.
Ausschlaggebend ist die mögliche Kapazität der Uni
„Ich fühlte mich betrogen“, berichtet die Studentin, „und total entnervt. Immerhin hatte ich alles Mögliche getan und fühlte mich ungerecht behandelt.“ Kurzerhand legte sie die Sache in die Hände einer Berliner Anwaltskanzlei, die ihr gute Chancen zusicherte. „Viel mitbekommen habe ich nicht von der Klage“, erinnert sich die 25-Jährige, „ich musste Formulare ausfüllen und Zeugnisse kopieren. Dann lief die Klage ohne mein Zutun.“
Die rechtliche Grundlage für die Studienplatzklage erklärt der Recklinghausener Fachanwalt René Pichon, seit 30 Jahren darauf spezialisiert. Um die 600 Studienanwärter kommen pro Jahr in seine Kanzlei, berichtet er, um einen Platz an ihrer Wunsch-Uni zu erstreiten.
Pichon: „Die Studienplatzklage basiert auf Artikel 12 des Grundgesetzes: Jeder hat das Recht, seine Ausbildungsstätte frei zu wählen. Wenn die Studiengänge mehr Kapazitäten haben, als Studenten zugelassen werden, können diese Plätze eingeklagt werden.“ Wie viel Kapazität ein Studiengang habe, werde durch einen Rechengang festgesetzt: „Das ist ein Buch mit sieben Siegeln – da blickt auch so mancher Jurist nicht durch.“
Für Anna Bayer folgte einen Monat nach dem dritten Ablehnungsbescheid eine Überraschung: Ein weiteres Schreiben der TU Dortmund gratulierte ihr zu einem Studienplatz im Nachrückverfahren. „Zu diesem Zeitpunkt muss die Uni schon von der Klage gewusst haben“, vermutet sie. René Pichon schätzt die Kosten einer Klage auf mindestens tausend Euro: Anna Bayer kam mit 600 Euro Eigenanteil günstig davon, dank Rechtsschutzversicherung.
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Klage lohnt bei exotischen Fächern
Doch lohnt sich der Aufwand? Denn die Kosten schießen schnell deutlich nach oben. „Die Klage lohnt sich bei exotischen Fächern, bei denen nicht mit Mitklägern gerechnet werden muss“, berichtet Pichon. Die realistische Aussicht ist dennoch trüb: „Meistens gewinnen die Unis, oder es kommt zum Vergleich – in beiden Fällen wird der Kläger zur Kasse gebeten.“
In ihrer persönlichen Geschichte sieht Anna Bayer indes auch Vorteile: „Durch die Arbeitserfahrung weiß ich, was auf mich zukommt. Und wenn es im Studium mal nicht so gut läuft, gebe ich nicht auf – dafür habe ich zu viel gekämpft.“