Mit dem Wort Justizskandal muss man sparsam umgehen. Weiß Gott nicht jede Aufregung um irgendein Urteil taugt für diese Klassifizierung. Der Fall Gustl Mollath ist ein Justizskandal. Was der Mann aus Nürnberg ein Jahrzehnt lang ertragen musste, damit ihm nun endlich das zuteil wird, was wir in ei­nem Rechtsstaat für selbstverständlich halten, nämlich ein fairer Prozess mit einer Beweiswürdigung, das kennt man nur aus Diktaturen oder Kafka-Romanen.

Gutachter, die ihn in einer Fortschreibung als geisteskranken Gewalttäter einstuften, ohne ihn gesehen zu haben, eine Staatsanwaltschaft, die seinen Vorwürfen nicht entschlossen genug nachgeht, die sich längst als wahr entpuppt haben und Verfahrensfehler, wohin man blickt: Dass das Oberlandesgericht Nürnberg all die Schlampereien nun endlich entdeckt, ist ja erfreulich, aber furchtbar spät: Bayern hat dem Mann zehn Lebensjahre gestohlen.