Rom. . Erstmals in seiner skandalreichen Laufbahn ist Italiens früherer Regierungschef Silvio Berlusconi rechtskräftig verurteilt worden. Daraufhin attackiert er die Justiz erneut scharf. Seinen Sitz im Senat darf er vorerst behalten - trotzdem diskutiert Italien über die Folgen.

Der erstmals definitiv verurteilte Silvio Berlusconi hat nach seinem Schuldspruch die italienische Justiz scharf kritisiert. "Niemand kann die Gewaltattacke verstehen, die mir mit einer Reihe von Prozessen und Anklagen beschert wurde", sagte er am Donnerstag in einer Videobotschaft nach seiner Verurteilung zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs. Ein Teil der Richter in Italien sei "verantwortungslos", die Prozesse gegen ihn eine "wirkliche und wahre juristische Verbissenheit", die ihresgleichen suche.

Gleichzeitig kündigte der frühere italienische Regierungschef an, seinen "Kampf für die Freiheit" fortzusetzen und seine Partei "Forza Italia", mit der er vor fast 20 Jahren in die Politik eingestiegen war, wiederzubeleben. Berlusconi beklagte zudem, das sein Einsatz für Italien nicht genug gewürdigt werde. "So belohnt Italien die Opfer und das Engagement seiner besten Bürger", sagte er.

Medienzar und Ex-Präsident Berlusconi muss trotz Urteil nicht ins Gefängnis

Italien diskutiert nun über die politischen Folgen des Urteils. Staatspräsident Giorgio Napolitano rief am Donnerstagabend zur Einigkeit auf. "Um aus der Krise herauszukommen und sich eine neue Entwicklungsperspektive zu geben, muss das Land Gelassenheit und Zusammenhalt wiederfinden", sagte er. Nicchi Vendola, Sprecher des linken Bündnisses "Sinistra Ecologia Libertà", forderte Konsequenzen aus dem Urteil. "Es ist nicht vorstellbar, dass die Demokratische Partei mit der Partei von Silvio Berlusconi verbunden bleibt." Berlusconi ist Leitfigur der Partei Volk der Freiheit (PdL), dem wichtigsten Koalitionspartner der Demokratischen Partei (PD) von Regierungschef Enrico Letta.

Das höchste Gericht des Landes bestätigte am Abend nach stundenlangen Beratungen die Haftstrafe der unteren Instanz gegen den 76 Jahre alten Medienzar. Ins Gefängnis muss er dennoch nicht - wegen seines Alters. Auch einen direkten Ausschluss aus der Politik muss Berlusconi nicht fürchten: Das mit dem Urteil in zweiter Instanz verbundene Ämterverbot für ihn muss vor einem Berufungsgericht neu verhandelt werden. Wird es definitiv bestätigt, würde der langjährige Regierungschef seinen Sitz im Senat verlieren.

Letta forderte, die Interessen Italiens über die einzelner zu stellen. "Für das Wohl des Landes ist jetzt, auch in der berechtigten Debatte innerhalb der politischen Kräfte, ein Klima der Gelassenheit notwendig", sagte er. Berlusconis Anwälte teilten mit, das Urteil gegen ihren Mandanten könne "nur Bestürzung" zurücklassen. Es habe triftige Gründe für einen vollständigen Freispruch gegeben. "Wir werden jeder Möglichkeit folgen, auch auf europäischer Ebene, um sicherzustellen, dass dieses ungerechte Urteil grundlegend geändert wird", hieß es.

"Berlusconi ist tot. Es lebe Berlusconi"

Die italienische Politik hatte die Entscheidung des Gerichts angespannt verfolgt. Der PD-Vorsitzende Guglielmo Epifani kündigte an, seinen Koalitionspartner genau zu beobachten. "Wir wissen, dass ein verantwortungsvolles Verhalten die Möglichkeit stärkt, die gerichtlichen Angelegenheiten von den politischen der Regierung getrennt zu halten", sagte er.

Der Anführer der größten Oppositionsbewegung Fünf Sterne (M5S), Beppe Grillo, verglich die erste definitive Verurteilung des politischen Gegners mit dem Fall der Berliner Mauer. "Berlusconi ist tot. Es lebe Berlusconi", schrieb der Populist mit ironischem Unterton in seinem Blog. Berlusconi sei wie eine Mauer gewesen, die Italien von der Demokratie getrennt habe.

Trotz der Verurteilung muss Berlusconi nicht ins Gefängnis. Drei der vier Jahre werden ihm nach einem Gesetz von 2006 aus Altersgründen erlassen. Den Rest kann er in Sozialstunden ableisten oder im Hausarrest.

Berlusconi war im Mai in zweiter Instanz im Mediaset-Prozess schuldig gesprochen worden. Die Richter hatten das Urteil der ersten Instanz bestätigt, wonach er mit einem System "massivsten Steuerbetrugs" die Kosten für TV-Rechte um Hunderte Millionen Euro in die Höhe trieb.

Berlusconi droht in weiteren Prozessen noch mehr Unheil. Im "Ruby"- Prozess um Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch wurde er in erster Instanz schuldig gesprochen, ein Verfahren wegen Bestechung könnte im Herbst eröffnet werden. (dpa)