Rom. Italien tut sich schwer mit einem Weg aus der Krise. Die Regierung Letta kommt nur langsam in Gang, in den Koalitionsparteien herrscht Unruhe und das Schicksal Berlusconis bringt Ungewissheit. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone befindet sich im Klammergriff von Wirtschaft und Politik.
Nicht so sehr die Sommerhitze ist es, die Italien in diesen Tagen lähmt. Anfang August ist der "Rettungsanker" Enrico Letta mit seiner Regierung der großen Koalition erst 100 Tage im Amt. Doch die Abnutzungserscheinungen sind schon jetzt sichtbar.
Regierung und Parlament werden von Skandalen erschüttert, in allen Parteien kracht es gewaltig. Noch fehlt auch ein wahrer Silberstreif am Horizont, der ein Ende der längsten Rezession Italiens nach dem Zweiten Weltkrieg ankündigen würde. Und nicht zuletzt hängt die Zukunft des von einer rechtskräftigen Verurteilung bedrohten Silvio Berlusconi wie ein Damoklesschwert über der Regierung des linken Christdemokraten Letta.
Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, rekordverschuldetes EU-Sorgenkind, findet sich so in einem Klammergriff von Wirtschaft und Politik wieder. Zwar haben die immer argwöhnischen Finanzmärkte auf die jüngste Herabstufung der Bonität Italiens durch die Ratingagentur Standard & Poor's Anfang Juli eher gelassen reagiert.
Während die Arbeitslosigkeit auf einen Höchststand kletterte, senkte aber auch der Internationale Währungsfonds (IWF) erneut den Daumen: Italiens Wirtschaft dürfte 2013 um 1,8 Prozent schrumpfen, stärker als zuvor schon befürchtet. Flammt die Euro-Krise in Ländern wie Griechenland oder Portugal wieder stärker auf, käme auch Rom wieder ins Visier.
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"Letta nimmt die Probleme zur Kenntnis und verschiebt sofort die Lösung", kritisierte das Politmagazin "L'Espresso": Es sehe so aus, als sollte das verarmte Land mit einer Dosis Morphin ruhiggestellt werden. Gemeint sind Ankündigungen, Gesetzentwürfe und optimistische Reden. Vieles ist dabei auf den Herbst verschoben.
Darunter sind eine möglicherweise dringend notwendige Mehrwertsteuererhöhung und die vor allem von Berlusconi nahezu täglich verlangte Abschaffung der unbeliebten Grundsteuer auf den ersten Wohnsitz (Imu). Auch bei der Reform der Parteienfinanzierung und des Wahlrechts kommt Letta - sicher zum Leidwesen von Staatschef Giorgio Napolitano - kaum voran.
Skandale im römischen Sommertheater
Während der Stiefelstaat in der Tat ruhiggestellt wirkt, größere soziale Protestbewegungen ausgeblieben sind, kracht es nahezu ständig in der großen Koalition aus Sozialdemokraten und den Konservativen Berlusconis. Vor allem in den Parteien selbst.
In der Demokratischen Partei (PD) Lettas ist verstärkt eine Front aktiv, die von Anfang an gegen das Zusammengehen mit dem skandalträchtigen Gegner Berlusconi war - und lieber heute als morgen aus der Zweckkoalition aussteigen möchte. Und in der PdL-Partei (Volk der Freiheit) des "Cavaliere" stehen die Zeichen auf Sturm, weil Berlusconi schon bald im Mediaset-Korruptionsprozess politische Ämter verboten werden könnten.
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Auch weil die "Falken" in Berlusconis Lager mit einem Austritt aus der Regierung drohen, sollte ihre Leitfigur rechtskräftig verurteilt werden, fragen sich politische Beobachter am Tiber, wie lange diese Regierung wohl halten könne.
Giorgio Napolitano hatte sie auf den Weg gebracht, um das Land nach einer langen Patt-Situation im Parlament aus der Krise zu führen, die Finanzmärkte zu beruhigen und gezielte Reformen einzuleiten. Doch auch die populistische Bewegung "5 Sterne" des Beppe Grillo, stark im Parlament und jetzt in der Opposition, ist von diesem alten italienischen Virus der Selbstzerfleischung erfasst.
Als reichte dieses nicht aus, gesellen sich noch neue Skandale zu dem römischen Sommertheater. Die Abschiebung der Frau und der Tochter eines kasachischen Dissidenten sorgte für diplomatische Turbulenzen und brachte nun Innenminister Angelino Alfano arg in Bedrängnis. Denn die Blitzaktion war zu Unrecht damit begründet worden, die Frau habe gefälschte Ausweispapiere vorgelegt.
Alfano, von mehreren Seiten hart attackiert, ist eine zentrale Figur aus Berlusconis Lager auf Lettas Polit-Schachbrett. Ein Skandal ist aber auch, dass die aus dem Kongo stammende Integrationsministerin Cécile Kyenge sich von einem Mann der rechtspopulistischen Lega Nord mit einem Orang-Utan vergleichen lassen musste. Skandale, die das Land vom Krisenmanagement ablenken. (dpa)