Rom. . Italiens Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi ist in dem Prozess wegen Amtsmissbrauchs und Sex mit der minderjährigen Prostituierten „Ruby“ zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Politisch erledigt ist er damit noch immer nicht. Er könnte deswegen die Regierung stürzen. Aber wann?

Der frühere italienische Regierungschef Silvio Berlusconi (76) ist im „Ruby“-Prozess um Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch schuldig gesprochen worden. Ein Mailänder Gericht verurteilte ihn am Montag in erster Instanz zu einer Haftstrafe von sieben Jahren. Zudem darf er keine öffentlichen Ämter mehr übernehmen. Das Urteil wird nicht rechtskräftig, sollte eine Seite Berufung einlegen. Es wird erwartet, dass Berlusconis Anwälte das Urteil anfechten.

Doch mit dem vorläufigen Urteil im Bunga-Bunga-Prozess vom Montag hat Silvio Berlusconi noch lange nicht alles überstanden: Im Lauf dieser Woche diskutiert das Kassationsgericht in letzter Instanz, ob Berlusconi einem konkurrierenden Unternehmer tatsächlich die 560 Millionen Euro an Entschädigung zahlen muss, zu der ihn untere Instanzen schon verurteilt haben.

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Es ging um die durch Bestechung erreicht Übernahme des großen Mailänder Verlagshauses Mondadori und anderer Unternehmen. Und im Herbst droht ferner die letztinstanzliche Entscheidung im Prozess um Steuerhinterziehung und Schwarzgeldkonten im Ausland. Die Urteile der ersten beiden Instanzen lauten auf vier Jahre Haft und fünf Jahre Ausschluss von öffentlichen Ämtern.

Seine Leute drohen schon mit Konsequenzen

Dass Gerichtsentscheidungen, die zur Gänze den Privatmann und Unternehmer Silvio Berlusconi treffen, Auswirkungen auf das politische Schicksal einer ganzen Nation haben müssen, mag im Ausland Befremden hervorrufen; in Italien wundert sich darüber keiner.

Sollte Berlusconi auch in letzter Instanz zum Ausschluss von allen öffentlichen Ämtern verurteilt werden, sagt etwa Daniela Santanché, seine militanteste, silikonveredelte Amazone, dann sollten alle Italiener „aus Protest in einen Steuerstreik treten“. Oder Maurizio Gasparri, einer der führenden Abgeordneten von Berlusconis „Volk der Freiheit“: „Wenn unser Presidente verurteilt wird, dann treten wir alle zurück.“

Berlusconi ist nach der Wahlniederlage im Februar das schwächste Glied in der Regierungskoalition von Enrico Letta, er hält sich aber für das stärkste: Tagtäglich gibt er zu verstehen, dass ohne ihn als „Garanten“ das Experiment keine Zukunft hat. Ob er nun, wie er es im November mit der Regierung von Mario Monti getan hat, auch die heutige stürzen will? Noch schließt er es aus. Viele Kommentatoren gehen davon aus, dass Berlusconi erst einmal seine geschwundene Wählerbasis zurückgewinnen will, bevor er sich auf das Abenteuer Neuwahlen einlässt.

Egal was Letta macht – Berlusconi ist immer der Gewinner

Wähler zurückgewinnen – das geht bei Berlusconi so: Er drängt die Regierung pausenlos dazu, seine eigenen, populistischen Programmpunkte umzusetzen – die Abschaffung der Haus- und Grundsteuer vor allem, den Verzicht auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Findet die Regierung in diesen lausigen Zeiten tatsächlich das Geld dafür, wird Berlusconi triumphierend melden: „Versprechen erfüllt!“ Kommt die Regierung zum Ergebnis, sie brauche die Steuermehreinnahmen unbedingt, dann sind die anderen schuld, die Sozialdemokraten. „Und meine Geduld“, warnt Berlusconi jetzt schon, „hat ihre Grenzen“.

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Dazu kommt Berlusconis Bemühen, immer und überall im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Als Regierungschef Letta jüngst beim G8-Gipfel unter den Mächtigen der Welt „bella figura“ machte, lenkte Berlusconi die Scheinwerfer auf sich um: Er verlangte, damit Italien endlich wieder wachse, die Maastricht-Grenzen des Haushaltsdefizits zu durchbrechen. Und sofort diskutierte das ganze Land über Berlusconi und seinen Vorschlag. Dass er die in jeder Hinsicht junge Regierung – die sich als sachorientiertes Team schon stärker zusammengefunden hat, als zu erwarten war – in Ruhe arbeiten lassen könnte, dieser Gedanke kommt Berlusconi nicht. Es wäre im Interesse der Nation. Aber für Berlusconi zählt nur einer: er selbst.