Berlin. Kanzlerin Angela Merkel hat zu DDR-Zeiten einen Anwerbeversuch der Staatssicherheit mit dem Hinweis abgewehrt, sie sei zu geschwätzig für eine Spitzeltätigkeit. Merkel sagte weiter, sie habe zu DDR-Zeiten manchmal an Ausreise gedacht, aber einzelne Gelegenheiten zur Flucht nicht genutzt.
Kanzlerin Angela Merkel hat zu DDR-Zeiten einen Anwerbeversuch der Staatssicherheit mit dem Hinweis abgewehrt, sie sei zu geschwätzig für eine Spitzeltätigkeit. Die CDU-Vorsitzende sagte am Dienstag in Berlin, sie sei Ende der 70er Jahre nach einem Bewerbungsgespräch für eine Assistentenstelle als Physikerin an der Uni Ilmenau in einem Raum geführt worden, wo nicht wie erwartet die Fahrtkosten-Erstattung war, sondern ein Stasi-Offizier saß.
«Ich habe dann sehr schnell gesagt, dass das für mich nichts ist, weil ich den Mund nicht halten könne und so etwas immer meinen Freunden erzähle», sagte die Kanzlerin in einer Aufzeichnung für die ARD-Sendung «Menschen bei Maischberger». «Und damit war die Sache durchbrochen. Denn das Schweigen war die Grundvoraussetzung dafür, dass man geeignet war.» Die Stelle habe sie allerdings nicht bekommen.
Merkel berichtete, dass sie und ihre Bekannten mit dem Überwachungsstaat DDR gelebt hätten, so gut es ging. «Wir haben oft in Gaststätten an die Lampe geklopft und gesagt: 'Wenn ein Mikrofon drin ist - einschalten!' Es ging darum, sich nicht kirre machen zu lassen.»
Merkel sagte weiter, sie habe zu DDR-Zeiten manchmal an Ausreise gedacht, aber einzelne Gelegenheiten zur Flucht - etwa während einer Besuchsreise nach Hamburg - nicht genutzt. Dazu sei die Bindung an Eltern, Freunde und Verwandte damals zu groß gewesen. «Es ist natürlich auch ein großer Schritt, seine gesamte Umwelt und Lebenswelt zu verlassen», gab sie zu bedenken.
«Selbstverständlich und viele Jahre in der FDJ»
Während ihrer ersten Reise nach Westdeutschland als Erwachsene im Jahr 1986 habe sie manche praktischen Dinge nicht beurteilen können, sagte Merkel. «Ich wusste zum Beispiel damals komischerweise nicht: Kann man als Frau allein in einem Hotel übernachten? Ich hatte so viele Tatorte und Krimis gesehen, dass mir das nicht mehr ganz klar war. In Budapest und Sofia hatte ich da weniger Sorge.»
Zu ihrer Vergangenheit in der SED-Nachwuchsorganisation Freie deutsche Jugend (FDJ) sagte Merkel: «Ich habe dazu oft genug Stellung genommen. Ich war selbstverständlich und viele Jahre in der FDJ.» Solche Vorhaltungen seien «nicht der deutschen Einheit dienlich» sagte sie. Und natürlich habe es viele Bürgerrechtler gegeben, die mit sehr viel mehr Einsatz gegen das System angekämpft hätten. «Ich habe mir ein Leben als Wissenschaftlerin ausgesucht. Ich habe mir ein Studium ausgesucht, damit ich nicht so viele Kompromisse eingehen musste.» Sie habe deshalb Physik studiert, «weil da die Wahrheit nicht so leicht zu biegen war».
Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine hatte vergangene Woche über Merkel gesagt: «Sie war FDJ-Funktionärin für Agitation und Propaganda. Damit gehörte sie zur Kampfreserve der Partei.» Dazu sagte die heutige CDU-Chefin: «Man sollte nichts verschweigen, aber auch nicht diese Schwarz-Weiß-Diskussionen führen, die uns allen nicht weiterhelfen.»
DDR auf Unrecht aufgebaut
Auf die Frage, ob der frühere DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker ein Diktator war, antwortete Merkel: «Im Sinne der Diktatur der Arbeiterklasse und ihres Machtanspruches war er natürlich dieser Diktatur verpflichtet.» Die DDR habe sich ja selber als Diktatur bezeichnet.
Merkel sagte, im privaten Umfeld der DDR-Bürger habe es zwar viel Positives gegeben. «Von dem System als solches möchte ich aber überhaupt nichts lernen. Das hat uns nur gelehrt, dass wir es so nie wieder machen sollten.» Die DDR sei auf Unrecht aufgebaut gewesen und habe damit kein Rechtsstaat mehr werden können. (ap)