Essen. Unterschlagung, Untreue, Korruption sind Probleme vieler Kommunen. Eine ehemalige Kassenführerin in Dortmund leitete mehr als 65.000 Euro in die eigene Tasche um. Kein Einzelfall: Wirtschaftsprüfer gehen deutschlandweit von rund zwei Milliarden Euro Schaden aus.

658.692,20 Euro fehlen in der Kasse des Dortmunder Stadtbezirks Hombruch. Das Geld stammt von den Bürgern des Bezirks. Sie haben damit kommunale Dienstleistungen bezahlt – die Gebühr für den Pass zum Beispiel. Die frühere Kassenführerin (56) steht in Verdacht. Sie soll es in zehn Jahren 120-mal versäumt haben, Teilsummen zur Sparkasse zu bringen. Sie habe sie in die eigene Tasche umgeleitet. Für Pferde, Häuser, familiäre Ausgaben, wird gemutmaßt.

Die Frau ist gefeuert. Aber ihr Fall ist heute Thema im Verwaltungsvorstand. OB Ulrich Sierau (SPD) will Konsequenzen ziehen aus dem Hombrucher Raubzug. Er schafft die Annahme von Bürgers Bargeld durch Stadtbedienstete weitgehend ab. Automaten übernehmen den Job. Die Entscheidung könnte Vorbild sein. Denn Unterschlagung, Untreue, Korruption sind Problem vieler Kommunen.

Steuergeld für die Sexclub-Wohnung

In Dortmund wird gern unterschlagen. Die Geschichten führen zu menschlichen Schicksalen und auch in tiefe Abgründe. Eine knappe halbe Million verschwand 2007 aus dem Büro von Sieraus Vorgänger Langemeyer, weil eine krebskranke Beschäftigte Kokain kaufte. Ein Mitarbeiter des Umweltamtes finanzierte das teure Doppelleben mit zwei Familien durch 320.000 Euro der Steuerzahler. Zwei Betriebsräte bedienten sich aus der Stadtkasse. Die angemietete Sexclub-Ferienwohnung war so teuer.

In Kleve ist ein Kommunalbediensteter weniger spektakulär, dafür aber raffinierter vorgegangen. Der Mann führte die Kämmerei-EDV. Keiner kam dahinter, dass der 50-jährige Computerexperte in drei Jahren über fingierte Rechnungen 441.833 Euro abzweigen konnte. Er erhielt vier Jahre Haft.

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Das Gericht hat der Stadt Kleve eine Mitschuld zugewiesen. „Schlampereien“ im Kontrollsystem hätten die Tat erst möglich gemacht. In Dortmund stellte das Rechnungsprüfungsamt fest: Es gebe „keine Regelung über Kontrollen, durch die sichergestellt wird, dass die abzuliefernden Beträge auch tatsächlich eingezahlt wurden“.

Kontrollen sind die verwundbare Stelle der Behörden. Das haben auch die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) ermittelt, die zahlreiche Straftaten in Verwaltungsetagen untersucht haben und von einer Schadenssumme von zwei Milliarden Euro bundesweit ausgehen. Vorbeugemaßnahmen seien meist „unzureichend“ und „die Aufdeckung von Straftaten ist... von Zufällen abhängig“. Anstrengungen sieht PwC allenfalls bei der Korruptionsbekämpfung – so durch den Einsatz von Korruptionsbeauftragten.

Duisburg ist eine Stadt, in deren Verwaltung Bestechung scheinbar so häufig vorkommt wie in Dortmund die Unterschlagung von Steuergeldern. Selten also. Aber durchaus auffallend. Schmiergelder sollen beim Bau der Mercatorhalle geflossen sein wie im Bürgerhaus Hagenshof. Über Jahre hat sich offenbar auch der Vizechef des Straßenverkehrsamtes bereichert. Das flog auf, weil ein Spediteur aussagte, der Mann habe von ihm 1750 Euro für die beschleunigte und prüfungsfreie Erteilung einer EU-Lizenz verlangt.

Flossis für die Stadtspitze

Jetzt soll Petra Kulendik die Augen aufmachen. Die Beauftragte des Oberbürgermeisters wird anonymen Informanten zuhören, die von Unregelmäßigkeiten berichten, und auf die Schulung städtischer Mitarbeiter Wert legen: Welche Geschenke dürfen sie nehmen? Geld? Nein. Kulis? Ja.

Die Grenzen zum Verbotenen sind schnell erreicht. Das erfährt gerade die Führung der Landeshauptstadt. Hier wird gegen 39 Stadtbedienstete wegen Vorteilsnahme ermittelt. Allein Oberbürgermeister Dirk Elbers (CDU) soll 10.000 Euro Geldauflage zahlen. Die Stadttochter IDR, die für die Immobilien zuständig ist, hat breit Geschenke verteilt. Champagner. Ganze Partys. Und Flossi-Figuren. Das sind riesige Kunststoffmännchen, die an Hauswänden kleben. Der Nachteil: Sie sind gut sichtbar.