Straßburg. Der Europaabgeordneten Marine Le Pen droht ein Prozess. Die Vorsitzende der rechtsextremen Front National hatte sich dermaßen abfällig über Muslime geäußert, dass die Staatsanwaltschaft wegen “Aufstachelung zum Hass“ ermittelt. Das EU-Parlament hob dafür die Immunität der Abgeordneten auf.

In der politischen Landschaft Frankreichs ist Marine Le Pen längst eine feste Größte: Bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr holte die Vorsitzende der rechtsextremen Front National (FN) überraschend 20 Prozent der Stimmen, bei den Gemeindewahlen und der Europawahl 2014 dürften die Europaabgeordnete und ihre Partei ihren Aufstieg fortsetzen. Eine üble Verbalattacke gegen Muslime könnte Le Pen nun aber einen Prozess einbringen. Das Europaparlament in Straßburg machte am Dienstag den Weg dazu frei, indem es die parlamentarische Immunität der 44-Jährigen aufhob.

Dabei hat die Tochter des FN-Parteigründers Jean-Marie Le Pen ihren Erfolg wohl nicht zuletzt ihren Bemühungen zu verdanken, der Front National ein respektableres Ansehen zu verschaffen. Teilweise ist ihr das auch gelungen: Im allgemeinen verhält sie sich moderater als ihr Vater, der ganz bewusst die Provokation suchte. Zudem gibt sich die zwei Mal geschiedene Mutter von drei Kindern im Privatleben betont modern.

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Die hochgewachsene, blonde Anwältin lebt mit dem FN-Vize Louis Aliot zusammen, ohne verheiratet zu sein, und befürwortet Abtreibungen. Bei der monatelangen heftigen Debatte in Frankreich über Homo-Ehen hielt sie sich bewusst zurück.

Muslimische Gebete mit Nazi-Besetzung verglichen

Beim Thema Muslime schlägt Marine Le Pen allerdings in dieselbe Kerbe wie ihr Vater: Die Europaabgeordnete warnt vor einer "Islamisierung" Frankreichs, wo mit gut fünf Millionen die größte muslimische Gemeinde Europas lebt. Im Dezember 2010 verglich sie bei einem Auftritt vor FN-Anhängern in Lyon Gebete von Muslimen auf offener Straße mit der Besatzung Frankreichs durch Nazi-Deutschland.

Damit rief sie die Justiz auf den Plan: Die Staatsanwaltschaft von Lyon wirft der Rechtsextremen unter anderen "Aufstachelung zum Hass" vor, weswegen nun ihre Immunität aufgehoben wurde.

Ob ein Strafverfahren und eine mögliche Verurteilung der FN-Vorsitzenden aber großen politischen Schaden zufügen würden, ist fraglich. Schließlich wurde ihr Vater mehrfach wegen rassistischer oder antisemitischer Äußerungen verurteilt, ohne dass dies seine Wähler abgeschreckt hätte.

Rechtsextreme profitieren von Finanzskandalen

Zugute kommt Marine Le Pen derzeit auch, dass sowohl die ehemalige konservative Regierungspartei UMP von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy als auch die heute regierenden Sozialisten in eine Reihe von Finanzskandalen verstrickt sind. Dies macht es der Rechtsextremen einfach, gegen die "korrupten etablierten Parteien" zu wettern.

Dass diese Strategie aufgeht, zeigte sich kürzlich bei einer Nachwahl im Wahlkreis des früheren sozialistischen Haushaltsministers Jérôme Cahuzac, der wegen eines geheimen Auslandskontos zurücktreten musste. In der Stichwahl konnte sich der UMP-Kandidat nur knapp gegen einen jungen Bewerber der Front National durchsetzen.

Im Parlament häufig abwesend

Entsprechend selbstbewusst blickt die 44-Jährige denn auch auf das ihr in Frankreich blühende Strafverfahren. Sie werde ihr Recht auf Meinungsäußerung geltend machen und hoffe, den Prozess zu gewinnen, betonte sie kürzlich. Auch einen Seitenhieb in Richtung Europaparlament ließ sie nicht aus. Für eine "politische Äußerung" werde die Immunität aufgehoben, nicht aber, wenn "Abgeordnete in die Kasse greifen".

In der EU-Volksvertretung, wo Marine Le Pen neben ihrem Vater sitzt, gilt die FN-Vorsitzende nicht gerade als besonders fleißig. Seit sie Mitte 2004 in das Straßburger Parlament gewählt wurde, hat die 44-Jährige nach Angaben der unabhängigen Beobachtungsstelle VoteWatch Europe keinen Bericht verfasst. Bei Ausschusssitzungen und im Plenum glänzt sie häufig durch Abwesenheit. (afp)