Paris. Machtwechsel in Frankreich, die Sozialisten erobern den Elysée-Palast: Bei der Präsidentschaftswahl hat sich Francois Hollande gegen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy durchgesetzt. Während die Sozialisten feiern, erklärt Sarkozy seinen Abschied von der politischen Bühne.
Der Machtwechsel ist schon seit Tagen zum Greifen nahe. Doch erst am Sonntagabend um kurz nach acht hat Frankreichs hoffende Linke endlich Gewissheit: Francois Hollande (57) wird neuer Präsident, er ist nach Francois Mitterrand erst der zweite Sozialist an der Spitze der V. Republik. Nicolas Sarkozy, sein Rivale in der Stichwahl, ist mit fast vier Punkten Rückstand abgewählt, beinahe abgestraft: 51,62 Prozent für Hollande, 48,38 Prozent für Sarkozy, so das amtliche Endergebnis, das das französische Innenministerium am Montagmorgen verkündete. Auf der "Place de la Bastille" liegen sich Zigtausende "camarades", wie sich die Sozialisten nennen, jubelnd in den Armen. Champagnerkorken knallen, Tränen kullern. "Ein historischer Augenblick", sagen sie. Ein kollektiver Freudentaumel ergreift die Masse auf diesem traditionsreichen Platz, auf dem sie 1789 die Bastille stürmten und die französische Revolution entfachten.
Keine zwanzig Minuten später erkennt der Abgewählte seine klare Niederlage ein. Er hat den Elysée-Palast verlassen und spricht vor enttäuschten Parteimitgliedern. "Ich wünsche Francois Hollande viel Glück", sagt er mit belegter Stimme. Der, der sonst so leidenschaftlich poltert, zeigt in diesem schicksalhaften Augenblick staatsmännische Größe. Er bittet um Fairness und sagt: "Francois Hollande ist der Präsident, das ist eine demokratische Entscheidung, die respektiert werden muss."
Tränen der Trauer bei Sarkozy-Anhängern
Auch hier kullern jetzt Tränen - es sind Tränen der Trauer. Nur sechs Minuten dauert Nicolas Sarkozys Abschiedsrede. Er bedankt sich für die Unterstützung und bekennt: "Es war eine Ehre, fünf Jahre lang Präsident gewesen zu sein." Ehe sie im Saal der "Mutualité" gemeinsam die "Marseillaise" anstimmen, verkündet der 57-Jährige seinen erwarteten Abschied von der politischen Bühne. Nach 35 Jahren in der Politik, davon über zehn Jahre als Minister und Staatschef, werde sein Platz nicht mehr derselbe sein. "Ich stelle mich darauf ein, ein Franzose unter den Franzosen zu sein", sagt der Noch-Präsident.
Sein Nachfolger lässt sich an diesem historischen Abend sehr viel Zeit. Der "Abgeordnete von Corrèze", der seine Kampagne mit dem Slogan "Président normal", der "normale Präsident" geführt hat, kultiviert demonstrativ Volksnähe und Bodenhaftung. Er zieht es vor, dem französischen Machtzentrum erst einmal fern zu bleiben und den Tag Hunderte Kilometer entfernt in seiner Hochburg Tulle im zentralfranzösischen Limousin zu verbringen. In dieser zentralfranzösischen Bischofsstadt hat er seinen langen Marsch zum Elysée begonnen. Tausende haben sich jetzt auch hier auf dem Platz vor der Kathedrale versammelt. Erst um 21.20 Uhr bahnt er sich den Weg durch die jubelnde Menge. "Francois président", skandieren die Menschen. Und der neue Staatschef sagt: "Ich werden diesem Land dienen."
Die Sozialisten genießen das "Morgenrot"
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Unterdessen spielen sich an der Bastille Szenen ab, die an den großartigen Mitterrand-Sieg von 1981 erinnern. Obwohl der Platz mit der Juli-Säule und dem "Genius der Freiheit" schon aus allen Nähten platzt, strömen immer noch Tausende über die großen Boulevards herbei. Auf der riesigen Bühne beginnt ein Kulturprogramm. Höhepunkt des Abends ist Yannick Noah, einst Tennisstar und einer der beliebtesten und erfolgreichsten Gesangskünstler Frankreichs.
Die Sozialisten genießen das "Morgenrot", sie spüren, dass eine neue Ära anbrechen könnte. Die "Parti Socialiste" herrscht seit Langem in den meisten Rathäusern der Republik, auch bei Regionalwahlen 2010 hat sie deutlich zugelegt. Vor ein paar Monaten eroberten sie dann den Senat und stellen dort den Präsidenten. Der Sieg Francois Hollandes ist möglicherweise nur ein Etappensieg. Denn Mitte Juni werden die 45 Millionen Franzosen erneut an die Urnen gerufen, um eine neue Nationalversammlung zu wählen. Hält die Hochstimmung in der französischen Linken an, könnten sie einen Erdrutsch-Sieg einfahren. Ein ganzes Land könnte Rot werden.
Bei der geschlagenen UMP geht jetzt große Angst um, die Angst vor dem völlig Zerfall, die Angst vor dem Aufstieg der immer mächtiger werdenden Marine Le Pen vom rechtsextremen "Front National". Ex-Minister Christian Estrosi, Bürgermeister von Nizza, beschwört deshalb die Einheit der UMP. "Wir müssen zusammenhalten."