Wiesbaden. Überwachung des Internets? Viel schwer als allgemein angenommen, klagen deutsche Polizisten. BKA-Chef Ziercke beschreibt Twitter, Skype und Facebook als schwarze Löcher, in die Ermittler nicht hineinkommen. Und das Strafrecht – als lahmen Gaul.

„Waffengleichheit“ zwischen Räuber und Gendarm? Jörg Ziercke glaubt nicht an Märchen. Das Strafrecht im Zeitalter der elektronischen Kommunikation ist für den Chef des Bundeskriminalamtes (BKA) „ein lahmer Gaul“. Ziercke: „Die Gerechtigkeitslücke wird größer.“

Der BKA-Chef, ranghöchster deutscher Polizist, weiß: Seit 1953 hat sich die Zahl der Straftaten von einer Million auf sechs Millionen erhöht. Aber wenn seine Leute – mit Richter-Beschluss – ein Telefonat abhören, um geplanten Delikten aufzulauern, machen sich die Belauschten gerne lustig: „O.k, dann sagen wir auf Skype, wann wir’s machen.“ Ein Beamter: „Die drehen uns die Nase.“

Mal ist es die Verschlüsselung, mal ein fehlendes Gesetz

Skype ist für Polizeien von Bund und Ländern ein schwarzes Loch. Auch Facebook und Twitter. Hier kommen sie nicht rein. Mal ist die Verschlüsselung zu perfekt. Mal fehlt die Gesetzesgrundlage. Die Plauderkanäle sind nicht Teil des Telekommunikationsgesetzes, das der Polizei bei schwerer Kriminalität Zugang verschaffen könnte.

Dabei dürfte die Kommunikation über diese Wege bald 30 oder mehr Prozent ausmachen. Die Wiesbadener Behörde möchte die Politik für schärfere Gesetze sensibilisieren. Aber sie ist mit ihrer Forderung nach einer längeren Aufbewahrung von Telefon- und Internetdaten schon aufgelaufen. Jetzt fragen sie hier: Geht nach „Prism“ und „Tempora“ überhaupt noch was?

Manche sagen, die Polizei könne mehr als sie zugibt

Natürlich nutzen Strafverfolger moderne Überwachungssoftware. Muss entschlüsselt werden, versuchen sie es mit „Quellen-TKÜ“. Polizeikritische Experten glauben, dass die mehr kann als sie einräumt. Auf Ziel-Computern wird eine Software installiert, die Gesprächsinhalte auf Polizeianlagen leitet und knackt. Aber auch hier geht nichts ohne Ja eines Richters oder, bei Gefahr im Verzug, des Staatsanwalts.

Der Löwenanteil wird durch Länderpolizeien oder Zoll abgehört. Jährlich gibt es 5000 Verfahren mit 20 000 Maßnahmen, bei denen Telefon oder Computerkommunikation abgegriffen wird, ein Drittel im Bereich Drogenfahndung. Schwer haben es Ermittler, die Kindesmissbrauch im Netz aufspüren wollen. Die Täter sind „sophisticated“, kennen alle Technik-Tricks. Erfolge? Gehen dann oft gegen Null.