Düsseldorf. . Die Jugendämter in NRW müssen immer öfter Kinder wegen familiärer Krisen in Obhut nehmen. 2012 hat die Zahl der Fälle eine neue Rekordmarke erreicht. Besonders dramatisch: In jedem fünften Fall ging der Behördeneinsatz auf Initiative der Kinder und Jugendlichen selbst zurück.
Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die wegen familiärer Krisen in vorläufige Obhut der Jugendämter genommen wurden, lag 2012 so hoch wie nie zuvor in NRW. Mit 11 533 Schutzmaßnahmen stieg die seit Jahren anwachsende Zahl um weitere 8,6 Prozent. Besonders dramatisch: In jedem fünften Fall ging der Behördeneinsatz auf Initiative der Kinder und Jugendlichen selbst zurück. „Die Zahl der Eltern, die überfordert sind und ihre Kinder vernachlässigen, wächst ständig“, sagte der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes. Heinz Hilgers (SPD), der WAZ.
Häufigste Ursache für Eingreifen der Ämter: Überforderung
Häufigste Ursachen für Herausnahme von Minderjährigen aus der Familie waren laut Statistischem Landesamt Überforderung (5116 Fälle), Vernachlässigung des Kindes (1265) und Beziehungsprobleme der Eltern (2003 Fälle). In mehr als der Hälfte der Fälle griffen das Jugendamt oder die Polizei ein, in 30 Prozent der Fälle wiesen Lehrer, Ärzte, Verwandte oder Nachbarn die Behörden auf Missstände in Familien hin. Jugendliche ab 14 Jahre aus zerrütteten Familien waren häufiger von Inobhutnahmen betroffen (6985 Fälle) als Kinder unter 14 Jahre (4548 Fälle).
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Bei einer Inobhutnahme werden Kinder übergangsweise in Jugendhilfeeinrichtungen oder bei Pflegefamilien untergebracht. Dabei können Jugendämter nur in schwerwiegenden Fällen ohne Zustimmung der Eltern entscheiden. Wehren sich die Eltern, muss ein Familiengericht über eine Schutzmaßnahme entscheiden. Hilgers begründete die Zunahme der Fälle auch damit, dass Menschen „genauer hinschauen“. Gleichzeitig seien Mitarbeiter in Jugendämtern vorsichtiger, nachdem Gerichte auch vielfach überlastete Betreuer („Fall Kevin“) mit der Begründung verurteilt hätten, dass sie ihrer Aufsichtspflicht nicht ausreichend nachgekommen seien. Aus Sicht des Kinderschutzbund-Präsidenten ist der Anstieg der Inobhutnahmen besonders dramatisch, weil die Zahl der Kinder insgesamt bundesweit von 14,7 Millionen im Jahr 2000 auf 12 Millionen (2012) sank.
Sensibilität hat zugenommen
NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) glaubt, dass die Sensibilität der Menschen gegenüber der Vernachlässigung von Kindern in der Nachbarschaft gestiegen ist. Verwandte und Nachbarn informierten Behörden heute früher. In Essen stieg die Zahl der Inobhutnahmen 2012 gegenüber 2005 von 243 auf 397 Fälle, in Oberhausen von 85 auf 180, Herne 53 auf 63, Gelsenkirchen 90 auf 151 und im Kreis Recklinghausen von 48 auf 144 Fälle. In Duisburg sank die Zahl von 207 auf 190 Fälle, in Dortmund von 752 auf 542 Fälle.