Washington. Die Rede von Barack Obama hat in den USA nur wenig Beachtung gefunden. Während der Deutschlandbesuch des US-Präsidenten hierzulande ein Großereignis war, wurden die Schlagzeilen in den USA durch innenpolitische Themen bestimmt. Lediglich sein Abrüstungsangebot an Russland sorgte für Aufregung.
Für Berlin war die Rede von Barack Obama am Brandenburger Tor ein außenpolitisches Großereignis. Mitglieder der Bundesregierung bezeichneten den Auftritt des US-Präsidenten vor historischer Kulisse angetan als "große Rede" und "großen Wurf". Auf der anderen Seite des Atlantiks wurde Obamas Deutschland-Besuch dagegen eher gleichgültig zur Kenntnis genommen. Allenfalls einige Republikaner regten sich über das Abrüstungsangebot an Russland auf.
Während die deutsche Öffentlichkeit am Mittwoch jeden Schritt Obamas zu verfolgen scheint, zeigen US-Medien nur geringes Interesse. Als die Regie von CNN bemerkt, dass vor dem Präsidenten noch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und Bundeskanzlerin Angela Merkel sprechen würden, schaltet der Sender schnell zurück zu Nachrichten aus den USA. Die Liveübertragung vom Brandenburger Tor läuft stumm in einem kleinen Kasten in der rechten unteren Bildschirmecke weiter: Als dort eine winzige Merkel ans Rednerpult tritt, geht es bei CNN gerade um ein Plastiktütenverbot in Los Angeles.
"Die Rede hat nur einen begrenzten Niederschlag in den USA gefunden", sagt Transatlantikexperte Tyson Barker von der Bertelsmann-Stiftung in Washington. Obamas Worte seien im Nachrichtenstrom untergegangen. "Die innenpolitische Agenda verdrängt im Moment seine außenpolitischen Initiativen", sagt Barker.
Kein Moment für den Geschichtskalender
Die Schlagzeilen bestimmen dieser Tage Themen wie die Einwanderungsreform, über die sich Republikaner und Demokraten im Kongress streiten. Oder es geht um die Affären um die Spähprogramme der Geheimdienste und die gezielte Überprüfung konservativer Lobbygruppen durch die Steuerbehörde IRS. Das Online-Magazin "Politico" berichtet prominent über eine republikanische Senatorin aus Alaska, die sich für die Homo-Ehe ausspricht. Und auch die Äußerungen von Zentralbankchef Ben Bernanke nach der jüngsten Zinsentscheidung versetzen die US-Medien in größere Aufregung als Obamas warme Worte in der Berliner Nachmittagssonne.
Obama in Berlin
Der Auftritt sei nicht vergleichbar mit den Reden von Obamas Vorgängern John F. Kennedy und Ronald Reagan während des Kalten Krieges, kommentiert der Historiker Douglas Brinkley auf CNN. "Das war kein Moment, der im Geschichtskalender mit einem goldenen Sternchen markiert wird."
Republikaner äußern Kritik am Abrüstungsangebot
Robert Zarate vom konservativen Think-Tank Foreign Policy Initiative meint, die Rede sei "im Großen und Ganzen über die Köpfe von US-Normalbürgern hinweggeflogen". Ein Aspekt habe den Washingtoner Politikbetrieb aber durchaus bewegt: die angekündigte Initiative zur nuklearen Abrüstung. Der Präsident forderte, die Zahl der strategischen Atomwaffen der USA und Russlands um ein Drittel zu senken. "Solange es Atomwaffen gibt, sind wir nicht wirklich sicher", sagte Obama in Berlin.
Die Antwort aus dem republikanischen Lager lässt nicht lange auf sich warten. Der republikanische Kongressabgeordnete Howard McKeon wirft dem Präsidenten "Leichtgläubigkeit" im Umgang mit Russland vor. Moskau halte bereits die bestehenden Abrüstungsverträge nicht ein, beklagt sich der Vorsitzende des Streitkräfteausschusses im Repräsentantenhaus. Der republikanische Senator Bob Corker warnt vor einer "einseitigen Abrüstung" durch die USA. "Die Beibehaltung einer starken nuklearen Abschreckung ist entscheidend für die Sicherheit unserer Nation und der unserer Verbündeten in der Welt", erklärt Corker, der im Senatsausschuss für Auswärtige Beziehungen sitzt.
Besonders drastisch äußert sich der republikanische Kongressabgeordnete Mike Turner. "Präsident Obama ist ins Ausland gereist, um eine neue Runde einseitiger Abrüstung anzukündigen, nur um ein ausländisches Publikum zu beschwichtigen", erklärt er. "Der Präsident scheint allein darum bemüht zu sein, die Zustimmung von Ländern wie Russland zu gewinnen, die geschwächten Vereinigten Staaten applaudieren werden." (afp)