Berlin. . Barack Obama blickt am Brandenburger Tor lieber nach vorne als zurück. Er macht ein Abrüstungsangebot und verzichtet auf Sätze, die Geschichte machen könnten. Es ist, als ob der Präsident sich selbst gegenüber Rechenschaft darüber ablegen wollte, was er sich vorgenommen und was er bisher erreicht hat.
Seine Arbeit ist noch nicht getan, Barack Obama bekennt es. Und vielleicht ist das Angebot, das er gerade vorträgt, ein Anfang. Der US-Präsident kündigt an, die Atomwaffen, die Sprengköpfe „um bis zu einem Drittel zu senken“. Es klingt wie ein Angebot ohne Wenn und Aber. Kein schlechtes Entree für eine Rede vor dem Brandenburger Tor, das einst ein Symbol der Teilung und damit der Konfrontation war. Weniger Waffen, Schluss mit dem Gefangenenlager in Guantánamo, strenge Maßstäbe für den Einsatz von Drohnen, auch mehr Bürger- und Freiheitsrechte.
Die Stadt scheint ein inspirierender Ort für gute Vorsätze zu sein. „Das ist der Geist von Berlin“, wird er zum Schluss sagen. Das Abrüstungsangebot wird den Auftritt überdauern. Aber die fast 4000 Zuhörer werden womöglich ganz andere Erinnerungen mit sich tragen: Die große Hitze – weit über 30 Grad – das stundenlange Warten, dann der Auftritt auf einem Podest hinter Panzerglas. Kein Bad in der Menge, allenfalls in Schweiß. Kein Jubelsturm, nur freundlicher Beifall. Vor allem: Keine Feldmesse wie bei seinem Auftritt in Berlin im Jahr 2008.
Nichts, was ins Herz trifft
Entlang des Pariser Platzes sind die Fahnen aufgezogen, Schwarz-Rot-Gold, die blaue Europaflagge und das US-Banner. Der Präsident steht mit dem Rücken zur Quadriga, „stolz, dass ich auf der Ostseite von diesem Tor stehe“. Gleich am Anfang zieht er sein Jackett aus. „Im Freundeskreis können wir informell sein.“ Eine halbe Stunde redet Obama. Er spricht über den Fall der Mauer, die Freiheit, über Menschenwürde, Toleranz gegenüber Minderheiten, Armut, Klimaschutz, den Kampf gegen Aids.
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Man kann vielfach ein Häkchen machen. Bloß auf Sätze für das Geschichtsbuch, auf griffige Formeln verzichtet er; nichts, was direkt ins Herz zielt wie der Klassiker „Ich bin ein Berliner“, den Obama ein paar Mal aufwärmt. Keine Frage: Der historische Kontext stimmt. Aber der Blick soll mehr nach vorn gehen.
„Wir müssen Geschichte gestalten“, ruft er, „wir dürfen nicht selbstgefällig werden.“ Es ist, als ob der Präsident sich selbst gegenüber Rechenschaft darüber ablegen wollte, was er sich vorgenommen und was er bisher erreicht hat.
Zwei Stunden Schwitzbad vor der Präsidenten-Rede
Bürgermeister Klaus Wowereit preist Berlin als die Stadt an, „in der das Herz der deutsch-amerikanischen Freundschaft schlägt“. Und die „Dir das bestmögliche Wetter“ ausgesucht hat, wie Angela Merkel ergänzt. Sie sind das Vorprogramm.
Als es losgeht und Obama „Hello Berlin“ ruft, klaffen einige Lücken auf dem Pariser Platz. „Eher 3500 als die erwarteten 6000 Besucher“, wie ein Polizeibeamter im Vorbeigehen in sein Funkgerät spricht. Wer der Hitze trotzte, musste sich ab 13 Uhr den Sicherheitskontrollen unterziehen. Zwei Stunden Schwitzbad. Immerhin gibt es Wasserspender. Eine Band spielt Musik, um die Wartezeit abzukürzen, mithin machen sich die Leute ihr eigenes Programm. Wie im Stadion schwappt die La-Ola-Welle von einer Tribüne zur anderen.
"Ich will jetzt nur noch Schatten"
Norbert Lammert kann nur froh sein, als es um 15.15 Uhr endlich losgeht. Er fächelt sich Luft zu und wirkt mit seinem Strohhut-Borsalino und der abgedunkelten Sonnenbrille wie ein ermatteter Rom-Tourist im August. Unweit vom Bundestagspräsidenten schwitzt Dirk Nowitzki mehr als in so manchem NBA-Basketballspiel.
Wenn nicht die kreischenden Kinder der John-F.-Kennedy-Schule gewesen wären, die immer wieder applaudierten und kreischten – Obamas erster Rede-Auftritt in Berlin als Präsident wäre eine leise Veranstaltung geworden. Eine Viertelstunde vor Schluss können es die ersten Besucher der in mehrfachen Ringen hermetisch abgeriegelten Veranstaltung schon nicht mehr aushalten. „Ich will jetzt nur noch Schatten“, sagte der 24-jährige Nils aus Rostock, „den Rest lese ich morgen in der Zeitung.“ Cool.
Obama in Berlin