Berlin.. In der Hitze der Hauptstadt hält der US-Präsident eine wärmende Rede ohne bleibenden Wert. Merkel revanchiert sich mit Kennedys Rede auf Vinyl. Eine Analyse
Echte Freunde, die sich nicht jeden Tag treffen, küssen und herzen sich, wenn es mal wieder so weit ist, fassen einander an und wissen, wo sie dabei hingreifen und wohin eben nicht, signalisieren mit jeder Geste: Wir gehören zusammen.
Nach Barack Obamas Hitze-Rede auf der Ostseite vor dem Brandenburger Tor tanzten die Hände der Kanzlerin und des US-Präsidenten umeinander herum, es wirkte inmitten der perfekten Inszenierung seltsam unperfekt, linkisch. Mal fanden sie zueinander, mal nicht. Eine große Freundesgeste wurde jedenfalls nicht daraus, was irgendwie auch ehrlich ist.
Die Berliner Mauer ist seit fast einem Vierteljahrhundert Geschichte, wie die Sowjetunion, vor der keine US-Soldaten die Deutschen mehr beschützen müssen. Peking ist für Washington wichtiger als Berlin, das Brandenburger Tor ist für die beiderseitige Geschichtsschreibung ein Vergangenheitsort.
Obama zitierte Kennedys „Börliner“
Obama ließ in der deutschen Hauptstadt kein Kennedy 1963 oder Reagan 1987 vergleichbares Weltwort. Zitierte er Kennedys „Börliner“, weil ihm nichts eigenes einfiel?
Präsident Obama in Berlin
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Ein Drittel weniger US-Atomwaffen versprach Obama, ohne es handfest ankündigen zu können – er braucht den Kongress. Die USA endlich als Klimaschützer – haben sie nicht bisher entsprechende Abkommen boykottiert?
Das flächendeckende Abhören durch den NSA-Sicherheitsdienst – war gar keines in Obamas spitzfindiger Interpretation. Eine Balance will er finden zwischen Sicherheit vor Terror und Persönlichkeitsrechten – nur welche? Weniger Daten sammeln – oder mehr, Obama ließ es offen. Guantánamo dicht machen hat der Präsident sich leichter vorgestellt, was doch wohl heißt: Das Lager auf Kuba bleibt. Wie der Drohnenkrieg. Immerhin wissen die Deutschen, diese anonymen Computerkrieger werden nicht von hiesigen Laptops aus gestartet. Deutsch-amerikanische Einigkeit herrschte dann beim Freihandelsabkommen.
Zu nörglerisch geurteilt?
Zu hohe Erwartungen
Erfolge sind abhängig von Erwartungen. Und die waren einfach zu hoch. Obama konnte ihnen gar nicht gerecht werden.
Gerecht wurde den Erwartungen die gigantische Show, die uns zwei Staatsleute boten. Wunderbare Freiluftbilder von Obama, seiner glanzvollen Frau, den sympathischen Töchtern Sasha und Malia. Hat Merkels Mann Sauer, der die Damen durch die Berliner Geschichte führte, erwähnt, wie enttäuscht die Stadtbewohner waren, dass 1961 Kennedy zum Mauerbau nicht selbst kam, sondern seinen Vize Lyndon B. Johnson schickte?
Für Deutschlands Kanzlerin „Mörkel“ lief fast alles prima. Obamas Berlin-Besuch zahlt ein auf ihr Konto, obwohl doch da ein sozialer Demokrat kam und von Klima bis Homosexualität auch so redete. Gegen Staatsbesuchsglanz ist für Kanzlerkandidaten wenig zu holen. Zum Galadinner am Abend gab es, nach Spargel und Kabeljau, Königsberger Klops und rote Bete. Merkelessen.
Gut, sie hat das Internet, circa 20 Jahre alt, „Neuland“ genannt, und darum die spöttische Netzgemeinde am Hals („die kleine Angela möchte in Neuland abgeholt werden“). Obama umging Merkels Ausrutscher auf jener digitalen Datenautobahn, auf der 1995 schon Helmut Kohl analog ausgeglitten war (der Ausbau des Straßennetzes sei nun mal Ländersache), dezent. Seine Töchter werden den Vater auf dem Rückflug sicher fragen, was man mit Merkels Gastgeschenk anstellt. Gibt es im Weißen Haus einen Plattenspieler?
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