Teheran/Kairo. Überraschend klar siegt der gemäßigte Kandidat Ruhani in der ersten Runde der Präsidentenwahl. Nach vier Jahren Friedhofruhe hat das iranische Volk trotz geradezu manischer Unterdrückung ein politisches Beben ausgelöst. Eine Analyse.
Nach seinem Überraschungssieg bei der iranischen Präsidentenwahl hat der moderate Kleriker Hassan Ruhani eine deutliche politische Kurskorrektur angekündigt. „Ich freue mich, dass im Iran endlich wieder die Sonne der Vernunft und der Mäßigung scheint“, sagte Ruhani nach seinem Sieg.
Der 64-Jährige hatte die Wahl auf Anhieb mit 50,7 Prozent der Stimmen gewonnen. Er tritt die Nachfolge des umstrittenen Staatschefs Mahmud Ahmadinedschad an. Zehntausende feierten in Teheran den Sieg. „Ahmadi (Ahmadinedschad) bye-bye“, riefen sie, und: „Ruhani, kümmere Dich um das Wohl des Landes.“ Auch international sind die Erwartungen an den neuen Präsidenten hoch.
18,6 Millionen Iraner wählten Ruhani
Eines ist sicher – Irans Oberster Revolutionsführer Ali Chamenei hat dem neuen Präsidenten seine Stimme nicht gegeben. Anders 18,6 Millionen Iraner. Mit einem Triumphzug trugen sie Hassan Ruhani ins Präsidentenamt, den einzig moderaten unter den handverlesenen Kandidaten.
Irans Hardliner bekamen einen vernichtenden Volksentscheid präsentiert. Chamenei und seine Allianz aus Polit-Klerikern und Revolutionären Garden haben zwei Drittel ihrer Bevölkerung gegen sich; zwei Drittel haben die Nase voll von der Politik des „Widerstandes“, dem großmäuligen Säbelrasseln und der selbstzerstörerischen Dauerkonfrontation gegen den Rest der Welt. So sieht sich Irans Oberster Geistlicher mit einem neuen Präsidenten konfrontiert, der als Atomunterhändler für Kompromisse stand, der die beispiellose Isolation seiner Heimat von Europa beklagt und Amerika direkte Gespräche anbietet.
Alle Zensurbemühungen vergelblich
Nach vier Jahren Friedhofruhe hat das iranische Volk trotz geradezu manischer Unterdrückung ein politisches Beben ausgelöst. Eigentlich wollten Chamenei und seine Getreuen diesmal nichts dem Zufall überlassen. Alles, was das Regime an Einschüchterung, Internetkontrolle und Pressezensur aufzufahren hatte, kam in den Wochen vor der Abstimmung zum Einsatz.
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Im Ergebnis jedoch tanzen nun erstmals seit Jahren wieder Hunderttausende Bürger auf den Straßen, feiern ihren Kandidaten Ruhani, strecken dem verhassten Regime ihre grünen und violetten Tücher entgegen. Sie fordern die Freilassung aller politischen Gefangenen – auch der Ikonen der grünen Bewegung.
Der Wahlausgang zeigt, wie weit von der Realität entrückt die iranischen Hardliner inzwischen agieren. Sie haben sich mit ihrer aggressiven Atompolitik genauso verkalkuliert wie mit ihrem kriegerischen Syrieneinsatz und ihrer repressiven Innenpolitik. Irans Bankensystem steht vor dem Kollaps, die Ölexporte sind so niedrig wie seit 25 Jahren nicht mehr. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt mittlerweile bei nahezu 40 Prozent. Hinter den Kulissen diskutieren die Wirtschaftsplaner über Lebensmittelmarken und Zwangssteuern auf alle Sparguthaben. Nur eine kleine Minderheit der Iraner billigt noch den alles erstickenden Polizeistaat des Regimes.
Die Menschen wollen eine Wende
Noch kann niemand sagen, wie weitgehend die Revisionen der iranischen Politik bei Atomstreit, Syrienkrieg und Bürgerrechten unter dem neuen Präsidenten wirklich gehen werden, zu fraktioniert und widersprüchlich ist das Machtgefüge der Islamischen Republik.
Die Menschen aber haben ihren Willen unmissverständlich kund getan. Sie wollen eine Wende, die ihr Land endlich aus der Sackgasse herausführt. Und sie wollen endlich wieder leben als respektiertes Mitglied im Kreis der Völker.