Kairo. . Obama hat die „Rote Linie“ für überschritten erklärt: Wenige Tage vor dem G8-Gipfel in Nordirland sieht die US-Regierung den Einsatz von Giftgas durch das Regime in Syrien bestätigt. Jetzt will Washington die Rebellen militärisch unterstützen – auch mit Waffen, heißt es. Die Rebellen hoffen auf mehr als Kleinwaffen und Munition.

Die Stimme des Generals zitterte vor Erregung. „Wir können nicht länger warten. Alle Opfer waren umsonst, wenn wir nicht rasch Waffen geliefert bekommen“, beschwor der Oberbefehlshaber der „Freien Syrischen Armee“, Salim Idriss, kürzlich zu nächtlicher Stunde in Jordaniens Hauptstadt Amman die Außenminister der „Freunde Syriens“. Anderenfalls werde der Kampf gegen das Assad-Regime in wenigen Monaten verloren sein. „Wir brauchen panzerbrechende Waffen, Abwehrraketen gegen Kampfflugzeuge und Munition“, flehte der füllige Haudegen mit Schnauzbart seine sichtlich beeindruckten diplomatischen Zuhörer an und pochte erneut auf die Einrichtung einer Flugverbotszone.

Den drohenden Kollaps seiner Armee schilderte er so emotional, präzise und düster, dass die westlichen Außenminister am Ende noch anderthalb Stunden länger als geplant zusammensaßen, um das Gehörte zu verdauen.

Denn die Moderaten unter den syrischen Aufständischen sind in den letzten Wochen so stark in die Defensive geraten, wie nie zuvor. Unablässig werden ihre Stellungen im Norden, Osten und Süden des Landes von Hubschraubern und Kampfflugzeugen des Regimes bombardiert. Die verlorene Schlacht um Kusair hat die Moral der Assad -Gegner erschüttert.

Panzerkolonnen und Hisbollah-Krieger

Die Panzerkolonnen des Diktators dagegen rücken unterstützt von 3000 bis 4000 Hisbollah-Elitetruppen auf Homs und Aleppo zu, um beide Städte wieder ganz unter Kontrolle zu bringen. Die geplante internationale Friedenskonferenz scheint gescheitert, bevor sie überhaupt zusammengetreten ist.

Auch interessant

Zudem treiben in den von Rebellen kontrollierten Gebieten immer mehr Gotteskrieger aus aller Herren Länder ihr Unwesen, ausgerüstet durch Katar und Saudi-Arabien. Letzte Woche in Aleppo richteten drei schwarz gekleidete, radikale Islamisten einen 14-jährigen Kaffeeverkäufer wegen angeblicher Gotteslästerung vor den Augen seiner entsetzten Eltern hin. Aufgebrachte Menschen zogen daraufhin vor das Hauptquartier der Al-Nusra-Brigaden und machten ihrem Ärger gegen beide Seiten Luft - die Schlächter von El Kaida und die Schlächter von Assad.

Keine Panzerabwehr-Raketen für die Rebellen

Die angekündigten US-Waffenlieferungen, die die CIA über die Türkei organisieren soll, werden nicht auf Sturmgewehre und Munition beschränkt bleiben. Wie die „New York Times“ berichtet, soll die „Freie Syrische Armee“ auch Panzerfäuste und Mörsergranaten bekommen, tragbare Boden-Luft-Raketen gegen Kampfjets jedoch sind vorerst nicht geplant. Und so könnten die neuen Waffen die militärische Lage der Rebellen zwar stabilisieren, ohne sie jedoch entscheidend zu bessern.

Nach Informationen des „Wall Street Journal“ wollen die US-Militärplaner allerdings im Süden Syriens eine erste, 40 Kilometer breite Flugverbotszone errichten, die mit F-16-Kampfjets erzwungen werden soll. Die Flugzeuge sollen über jordanischem Territorium bleiben, nicht in den syrischen Luftraum eindringen und die syrischen Flugabwehrbatterien mit Raketen größere Reichweite ausschalten. Ähnlich hatten vor zwei Monaten auch israelische Kampfjets operiert, als sie vom Libanon aus ein Raketendepot nahe Damaskus in Schutt und Asche legten.

Bisher 93 000 Tote, zehntausende Menschen in Haft

Nach der jüngsten Bilanz der Vereinten Nationen hat der Aufstand gegen das syrische Regime seit März 2011 mindestens 93.000 Menschen das Leben gekostet, darunter 6500 Kinder und Jugendliche. Die tatsächliche Zahl der Opfer aber liegt wahrscheinlich wesentlich höher, weil inzwischen zehntausende Menschen verhaftet und spurlos verschwunden sind. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, appellierte erneut an alle Konfliktparteien, „einen Waffenstillstand zu erklären, bevor Zehntausende weiterer Menschen getötet oder verletzt werden.“