Berlin. . Homosexuelle Lebenspartnerschaften dürfen steuerlich nicht schlechter gestellt werden als Ehepaare mit ihren Vorteilen des Ehegattensplittings. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht. Was bedeutet dieses höchste Urteil, wie reagiert die Politik? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Neuer Rüffel aus Karlsruhe für die Politik: Der Staat muss auch Homo-Paaren die Steuervorteile beim Ehegattensplitting gewähren. Was bedeutet das Urteil, wie kam es dazu? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie waren die Reaktionen auf das Urteil?
Politiker und Rechtsexperten haben mit dieser Entscheidung fest gerechnet. Das Verfassungsgericht hatte schon in früheren Urteilen die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften gegenüber Eheleuten gerügt. Zuletzt stärkten die Richter im Februar das Adoptionsrecht für Homo-Partner. Jetzt ist die Politik wieder im Zugzwang.
Die Opposition, die schon lange zu einer völligen Gleichstellung der Homo-Ehe drängt, kritisiert das erwartungsgemäß. Aber auch der Koalitionspartner FDP wirft der Union ein „Trauerspiel“ vor. Bei CDU und CSU gehen die Meinungen auseinander, die Mehrheit akzeptiert den Richterspruch aber.
Gibt es auch Kritik?
Konservative CSU-Abgeordnete wie Norbert Geis rügten das Urteil als falsch. Auch die katholische Bischofskonferenz ging auf Distanz zu Karlsruhe und erklärte, eine unterschiedliche steuerliche Behandlung sei angebracht, weil die Homo-Partnerschaft eben keine Ehe sei. Eine Gleichbehandlung sei abzulehnen.
Wie argumentiert das Gericht?
So wie in früheren Urteilen zur Gleichbehandlung von Homo-Paaren: Es gebe keine gewichtigen Sachgründe für eine Ungleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern mit Eheleute. Bei beiden handele es sich steuerlich um eine „Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs“. Der besondere grundgesetzliche Schutz der Ehe sei kein ausreichender Grund für eine steuerliche Bevorzugung. Selbst familienpolitisch gebe es keine Rechtfertigung, da das Splitting auch kinderlosen Ehepaaren gewährt werde. Allerdings hatte das Gericht schon 2002 auch klargestellt, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft sich von der Ehe unterscheide und „keine Ehe unter falschem Etikett“ sei.
Was bedeutet das Urteil konkret?
Laut Gericht müssen ab sofort die Regelungen zum Ehegattensplitting auch auf die Lebenspartnerschaften angewandt werden. Sie gelten sogar rückwirkend zum 1. August 2001. Profitieren werden aktuell rund 34.000 eingetragene Lebenspartnerschaften. Möglicherweise wird ihre Zahl steigen, weil der steuerliche Vorteil lockt.
Lohnt sich das Splitting überhaupt?
Bei Eheleuten geht es im Durchschnitt um eine Steuer-Ersparnis von etwa 1000 bis 1300 Euro im Jahr, maximal von rund 15 000 Euro. Für den Staat summiert sich das auf 20 Milliarden Euro Mindereinnahmen.
Beim Splitting werden die Einkommen der Partner zusammengerechnet, der Gesamtbetrag halbiert und erst dann versteuert. Das lohnt sich vor allem dann, wenn ein Partner viel, der andere relativ wenig verdient. Oder wenn einer gleich zu Hause bleibt, klischeehaft wird von der „Zahnarzt-Gattin“ gesprochen.
Was wird die Politik jetzt ändern?
Eine Änderung des Einkommensteuergesetzes kann noch vor dem Herbst beschlossen werden, so der Finanzminister. FDP und Opposition machen Druck. Für die nächste Wahlperiode arbeitet die Union an einem Konzept, das Ehegattensplitting zum Familiensplitting auszubauen. Dann würden nicht nur gleichgeschlechtliche Paare entlastet, sondern auch unverheiratete, heterosexuelle Paare mit Kindern. Allerdings würde das den Staat zusätzlich bis zu 13 Milliarden Euro jährlich kosten. Zum Vergleich: Die Einbeziehung der Lebenspartnerschaften wird mit etwa 30 Millionen Euro kalkuliert.
Geht es nach der Opposition, hat das Ehegattensplitting freilich langfristig keinen Bestand mehr – stattdessen sollen Familien mit Kindern besser gefördert werden.