Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat wenig überraschend entschieden: Das Ehegattensplitting muss auch für Homo-Paare gelten. Damit stärkt das Gericht die rund 34000 Lebenspartnerschaften in Deutschland. Kommt jetzt das Familiensplitting?
Diese Entscheidung ist keine Überraschung: Dass das Bundesverfassungsgericht auch Homo-Ehen das Recht auf das steuerliche Ehegattensplitting zubilligt, damit hat die Politik in Berlin ebenso wie die große Mehrzahl der juristischen Experten fest gerechnet. Zu sehr hatten die Karlsruher Richter schon in früheren Urteilen die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften gegenüber Eheleuten gerügt.
Zuletzt stärkten sie im Februar das Adoptionsrecht für Homo-Partner derart deutlich, dass selbst in der Koalition vorübergehend diskutiert wurde, ob die Politik nicht besser gleich auch das Ehegattensplitting auf diese Gruppe ausweiten sollte – um den Richtern wenigstens einmal voraus zu sein.
Entscheidung zwingt die Politik zum Handeln
So weit ist nun doch nicht gekommen, jetzt ist die Politik abermals in Zugzwang. Die Opposition, die schon lange zu einer völligen Gleichstellung der Homo-Ehe drängt, kritisiert das erwartungsgemäß: „Merkels Koalition ist eine Getriebene des Verfassungsgerichts, sie diskriminiert Lebenspartnerschaften“, schimpft SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Aber auch der Koalitionspartner FDP, der die Unionsfraktion vergeblich zu einer Gesetzesänderung aufgefordert hatte, wirft CDU und CSU nun ein „Trauerspiel“ vor – die Union hat sich bisher gegen die steuerliche Gleichstellung gesperrt, zuletzt hatte ein CDU-Parteitag im Dezember mit großer Mehrheit diese Position bekräftigt.
Die Argumentation des Verfassungsgerichts ist bei der Gleichstellung von Homo-Ehen stets dieselbe: Es gebe – nun auch beim Steuerrecht – keine gewichtigen Sachgründe für eine Ungleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern mit Eheleuten, bei beiden handele es sich steuerlich um eine „Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs.“ Der besondere grundgesetzliche Schutz der Ehe sei kein ausreichender Grund für eine steuerliche Bevorzugung, urteilte das Gericht gestern. Auch familienpolitisch gebe es keine Rechtfertigung, da das Splitting auch kinderlosen Ehepaaren gewährt werde.
Schwule und Lesben profitieren rückwirkend bis 2001
Laut Gericht müssen daher ab sofort die bestehenden Regelungen zum Ehegattensplitting auch auf die Lebenspartnerschaften angewandt werden – und sie gelten sogar rückwirkend zum 1. August 2001. Von diesem Tag an sind eingetragene Lebenspartnerschaften von schwulen und lesbischen Paaren erlaubt, so hatte es die rot-grüne Koalition damals durchgesetzt.
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Profitieren werden aktuell rund 34.000 eingetragene Lebenspartnerschaften, möglicherweise wird ihre Zahl jetzt steigen, weil der steuerliche Vorteil lockt: Bei Eheleuten geht es im Durchschnitt um eine Ersparnis von etwa 1000 Euro im Jahr, maximal von rund 15000 Euro. Für den Staat summiert sich das auf 20 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen. Beim Splitting werden die Einkommen der Partner zusammengerechnet, der Gesamtbetrag halbiert und erst dann versteuert. Aber: Das Ehegattensplitting lohnt sich vor allem dann, wenn ein Partner viel, der andere gar nichts oder relativ wenig verdient – weshalb gern das Klischee der Zahnarzt-Gattin bemüht wird, die zuhause bleibt, während ihr Ehemann in der eigenen Praxis das Familien- Einkommen erwirtschaftet. Dieses Partnerschaftsmodell allerdings ist in Homo-Ehen wohl die große Ausnahme.
Einbeziehung der Lebenspartnerschaften kostet etwa 30 Millionen Euro
Wie eine künftige gesetzliche Regelung aussieht, ist offen: In der Union wird längst an einem Konzept gearbeitet, das Ehegattensplitting gleich zu einem Familiensplitting auszubauen – dann würden nicht nur gleichgeschlechtliche Paare bei der Einkommensteuer entlastet, sondern auch unverheiratete Paare mit Kindern.
Für ein solches Modell, das manchem Wähler besser zu vermitteln wäre, hat sich vor kurzem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausgesprochen: „Die Steuervorteile müssen für alle Paare gelten, die Verantwortung für ihre Kinder übernehmen.“ Allerdings würde das den Staat zusätzlich, je nach Ausgestaltung, bis zu 13 Milliarden Euro jährlich kosten. Zum Vergleich: Die Einbeziehung der Lebenspartnerschaften wird mit etwa 30 Millionen Euro im Jahr kalkuliert.
Opposition begrüßt das Karlsruher Urteil
Geht es nach der Opposition, hat das Ehegattensplitting freilich langfristig keinen Bestand mehr: Die SPD will es bei neuen Partnerschaften abschaffen und durch eine Individualbesteuerung ersetzen, Grüne und Linke wollen eine solche Reform auch für bestehende Ehen. Die Opposition begrüßt das Karlsruher Urteil aber deshalb, weil dies ein wichtiger Schritt ist auf dem Weg zu der von ihr geforderten vollständigen rechtlichen Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften
Diese Forderung vertritt auch die FDP: Das Bundesjustizministerium hat bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf zur völligen Gleichstellung von Homo-Ehen ausgearbeitet – dass ihn die Koalition noch beschließen wird, ist aber auch nach diesem Urteil unwahrscheinlich.