Berlin. . Die Bundestagsparteien haben mit Ausnahme der Linkspartei eine Initiative für eine Drei-Prozent-Hürde bei den Europawahlen ins Parlament eingebracht. Damit setzten sie sich über ein Urteil des Bundesverfassungsgericht hinweg, das eine solche Hürde als Verletzung der Chancengleichheit bezeichnete.
Dieses Sperrklausel-Gesetz landet wohl wieder vor dem Bundesverfassungsgericht – doch der Bundestag behandelt es fast wie eine Geheimsache: Ohne Debatte, diskret in einem Paket unbeachteter Gesetzentwürfe verborgen, brachten die Bundestagsparteien mit Ausnahme der Linken am Donnerstag eine Initiative für eine Drei-Prozent-Hürde bei den Europawahlen ins Parlament ein. Das Gesetz soll noch im Juni beschlossen werden und schon für die nächste Europawahl im Mai 2014 gelten.
Umstritten ist der in aller Stille eingebrachte Vorstoß, weil er sich über ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinwegsetzt. Die Karlsruher Richter hatten vor anderthalb Jahren die Fünf-Prozent-Hürde für das Europa-Parlament für verfassungswidrig erklärt, weil sie die Chancengleichheit kleiner Parteien verletze. Solche Sperrklauseln seien zwar für die Funktionsfähigkeit wichtig, doch das Europa-Parlament habe weniger Rechte als der Bundestag und müsse auch keine stabile Mehrheit für eine Regierung sichern.
Kleinstparteien haben keine Chance
Das Verfassungsgericht verneinte auch die Gefahr einer Zersplitterung des Parlaments – schließlich rekrutierten sich die Abgeordneten der 27 Staaten schon jetzt aus 162 Parteien. Ohne die Hürde hätten in Deutschland bei der Wahl 2009 zusätzlich sieben Parteien Mandate erhalten, von den Piraten bis zur Tierschutzpartei.
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Doch Union, SPD, FDP und Grüne argumentieren nun mit einer veränderten Lage. Ein Jahr nach dem Urteil habe das Europa-Parlament die Mitgliedsstaaten zur Festlegung von „angemessenen Mindestschwellen“ aufgefordert; in 14 Staaten gibt es sie. Verlässliche Mehrheiten seien wegen des Machtzuwachses des Europa-Parlaments – etwa zur Wahl der Kommission – von entscheidender Bedeutung, heißt es nun.
In der SPD gab es anfangs Bedenken, doch auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hatte zuletzt engagiert für die Sperrklausel geworben. Ob sich Karlsruhe umstimmen lässt, ist offen: Mehrere Kleinstparteien haben angekündigt, gegen die neue Sperrklausel zu klagen. Begründung: Sie hätten weiter kaum eine Chance. 2009 hätte eine Drei-Prozent-Hürde die gleiche Wirkung gehabt wie die gekippte Fünf-Prozent-Grenze.