Karlsruhe. . Die Klausel verstoße gegen die Chancengleichheit der Parteien und den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit, so die Begründung aus Karlsruhe. Die Europawahl von 2009 werde nicht wiederholt, bei der nächsten Wahl des EU-Parlaments 2014 gelte die Fünf-Prozent-Hürde aber nicht mehr.

In Deutschland gibt es bei der Europawahl künftig keine Fünf-Prozent-Hürde mehr. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erklärte am Mittwoch die Sperrklausel für verfassungswidrig und nichtig. Die Klausel verstoße gegen die im Grundgesetz verankerte Chancengleichheit der Parteien sowie den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit.

Nach Einschätzung der Karlsruher Richter wird die Funktionsfähigkeit des Europaparlaments durch den nun möglichen Einzug von kleinen Parteien aus Deutschland nicht beeinträchtigt.

Knappes Ergebnis

Die Wahl zum EU-Parlament im Jahre 2009 bleibe jedoch gültig und müsse nicht wiederholt werden, betonte der Zweite Senat. Die Richter gaben damit dem Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim und zwei Wählern recht, die dagegen geklagt hatten. (Az.: 2 BvC 4/10 u.a.). Bei der nächsten Europawahl im Jahr 2014 wird es aber in Deutschland keine Fünf-Prozent-Hürde mehr geben.

Das Urteil des Zweiten Senats fiel nur denkbar knapp mit fünf zu drei Richterstimmen. Zwei Richter gaben eigens ein Sondervotum ab.

Dem Urteil zufolge bewirkt die Fünf-Prozent-Hürde eine „Ungleichgewichtung der Wählerstimmen“. Denn die Stimmen für Parteien, die an der Sperrklausel gescheitert sind, blieben letztlich ohne Erfolg. Das Gericht folgte damit der Argumentation von Hans Herbert von Arnim. Dadurch, dass Parteien, die weniger als fünf Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten, keine EU-Abgeordneten entsenden dürften, seien bei der Europawahl 2009 rund 2,8 Millionen deutsche Wählerstimmen unter den Tisch gefallen, argumentierte der Staatsrechtler.

Funktionsfähigkeit des EU-Parlaments wird nicht beeinträchtigt

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kann allein die Behauptung, durch den Wegfall der Sperrklausel werde der Einzug kleinerer Parteien und Wählergemeinschaften erleichtert und die Willensbildung erschwert, die Sperrklausel nicht rechtfertigen. Zwar sei zu erwarten, dass ohne die Sperrklausel in Deutschland die Zahl der nur mit einem oder zwei Abgeordneten im Europaparlament vertretenen Parteien zunimmt. Ohne Sperrklausel in Deutschland wären statt aktuell 162 dann 169 Parteien im Europäischen Parlament vertreten. Dadurch würde aber dessen Funktionsfähigkeit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit beeinträchtigt.

Das europäische Wahlrecht erlaubt den Mitgliedstaaten eine Hürde von maximal fünf Prozent, schreibt sie aber nicht vor. Das Verfassungsgericht wies bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass insgesamt 11 der 27 Mitgliedstaaten eine Sperrklausel haben, die jedoch meist unter fünf Prozent liege.

„Starre Listen“ sind nicht verfassungswidrig

Die Kläger rügten auch die Wahl über „starre Listen“. Die Wähler könnten nur Parteien und deren feststehenden Kandidatenblock ankreuzen, nicht aber einzelne Kandidaten. Dadurch stünden regelmäßig bis zu zwei Drittel der 99 Abgeordneten, die Deutschland in das EU-Parlament entsende, schon vorher namentlich fest. Das Verfassungsgericht sah hierin aber keinen Verfassungsverstoß. Das Gericht habe bereits für nationale Wahlen wiederholt festgestellt, dass die Wahl nach „starren“ Listen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. (dapd, rtr)