Düsseldorf. . Während die rot-grüne Landesregierung ihre Sparpläne in den Landtag einbringen wollte, werfen ihr wütende Beamte und Pensionäre aus dem ganzen Land Wortbruch vor. Rund 6000 zogen am Nachmittag zur Staatskanzlei, um der rot-grünen Regierung ihren Unmut zu zeigen. Es geht um zwei Nullrunden bei den höheren Einkommen.

Trotz massiver Proteste vor dem Landtag hat die NRW-Landesregierung ihren Gesetzentwurf zur Beamtenbesoldung in den Landtag eingebracht. Er sieht vor, die Tariferhöhungen für die Angestellten im öffentlichen Dienst nur auf eine kleine Gruppe der Beamten voll zu übertragen. Beamte der höchsten Be­­soldungsgruppen sollen zwei Jahre auf Einkommenserhöhungen verzichten. Vor dem Landtag demonstrierten mehrere Tausend Beamte.

In den Städten häufen sich Forderungen an das Land, die Einsparpläne bei den Beamten zu korrigieren. Nach Gelsenkirchen und Dortmund dringt auch Essens OB Reinhard Paß darauf, das Tarifergebnis „vollständig“ auf die Beamten zu übertragen, auch in den Kommunen. SPD-Landtagsfraktionschef Nor­bert Römer lässt prüfen, ob die Kommunen den Tarifabschluss der Angestellten nicht in Eigenregie auf ihre Beamten übertragen können.

Alleinerziehende trifft Nullrunde besonders hart

Annette Ernst steht im Regen vor der Staatskanzlei, den roten Schirm hat sie aufgespannt. „Nullrunde“ ist das Wort, das sie hierher getrieben hat. Sie arbeitet als Direktorin bei der Düsseldorfer Bezirksregierung, ist alleinerziehend, hat zwei Kinder und sagt, der Gehaltsstopp gleich für zwei Jahre treffe sie „besonders hart“. Auch die Stimmung der Kollegen sei ­bescheiden. „Das alles ist gar nicht lustig“, meint die 52-Jährige.

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Wenige Meter entfernt wartet ­Ulrich Pfeiffer. Der Beamte im Schulministerium will ausgerechnet haben, dass einem 50-jährigen Studienrat einschließlich späterer Pension bis zu 75.000 Euro Ein­bußen drohen, falls Rot-Grün seine Tarifpläne durchsetzt. Solche ­Rechenspiele machen überall die Runde unter den Demonstranten. Deshalb zeigen sie Karikaturen von Hannelore Kraft mit Pinocchio-Nase und halten Transpa­rente hoch: „Beamte sind nicht das Sparschwein der Regierung.“

CDU und FDP befeuern diesmal die Proteste

Die offizielle Zahl von 10.000 Teilnehmern ist zwischen Veranstalter und Polizei abgestimmt. Beobachter zählen dagegen nur 5000 bis 6000, die gekommen sind. Auf der Bühne steht DGB-Landeschef Andreas Meyer-Lauber und wettert über „schweren Vertrauensbruch“. Die Tarifpläne seien „der Versuch, die Beamtenschaft in NRW zu spalten“. Der Gewerkschaftsboss erinnert an die letzte Diätener­höhung für die Abgeordneten um 500 Euro und ruft: „Mehr wollen die Beamten in NRW auch nicht.“

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Der Lärm der Trillerpfeifen schallt hinauf zur Regierungszentrale. Für die Ministerpräsidentin ist die Massendemo eine Premiere, seit sie hier einzogen ist. Als ihr CDU-Vorgänger Jürgen Rüttgers noch amtierte, protestierten regelmäßig Tausende vor der Staatskanzlei: Stadtwerker, Studenten, Erzieherinnen. Jetzt sind die ­Rollen vertauscht. CDU und FDP befeuern die Proteste, die Beamten haben Kraft im Visier.

Auch Meinolf Guntermann greift tief in den Zitatenschatz des Funktionärs, schimpft über ­„Umgangsformen mit abhängig ­Beschäftigten aus der Epoche des Früh- oder Spätkapitalismus“. Für über 262 400 Beamte und Richter, so der Beamtenbund-Chef, bedeuteten die Pläne zwei weitere Jahre der „schleichenden Enteignung“.

Erinnerung an alte Zusagen

Während die Demonstranten den Aufstand proben, bringt die Koalition im Landtag den Entwurf für das neue „Besoldungsanpassungsgesetz“ ein. „Beamte müssen sich auf Zusagen der Landespolitik verlassen können“, schlägt sich CDU-Oppositionschef Karl-Josef Laumann auf die Seite der Staatsdiener. Er erinnerte daran, dass Kraft den Beamten noch im Dezember 2011 versichert hatte, sie plane keine weiteren Einschnitte.

Auch FDP-Fraktionschef Christian Lindner nutzt die offene Flanke der Koalition für eine liberale Charmeoffensive bei den Beamten: „Die beabsichtigten Besoldungseinschnitte für 80 Prozent der ­Landesbeamtenschaft müssen verhindert werden.“

Dass Rot-Grün für Beamte mit einem Monats­brutto von 3200 Euro nicht einmal einen Inflationsausgleich zahlen wolle, hält er für eine „Ohrfeige“ und einen Verstoß gegen die Leistungsgerechtigkeit. Doch ob das Rot-Grün am Ende umstimmt, ist unwahrscheinlich. SPD-Fraktionschef Norbert Römer jedenfalls gibt sich sicher: „Die Koalition steht.“