Düsseldorf/Essen. . Riesenstreit um die Entlohnung der Beamten: Dortmunds SPD-Oberbürgermeister hat die Landesregierung aufgefordert, das Tarifergebnis für den Öffentlichen Dienst 1:1 auf alle Beamten zu übertragen. Das würde richtig teuer - “vorrevolutionäre Stimmung“ in Justizbehörden.

Der Streit um die Beamtenbesoldung in NRW eskaliert jetzt auch zwischen Land und Kommunen. SPD-Landtagsfraktionschef Norbert Römer richtet in einem Brief scharfe Angriffe gegen die Stadt Dortmund, weil sie die „sozial ausgewogenen Sparbemühungen“ der rot-grünen Koalition erschwere.

Dortmunds Rat verlangt die volle Übernahme des Tarifabschlusses der Angestellten, auch für alle seine rund 2000 Kommunalbeamten.

Römer beklagte nun mangelndes „Stehvermögen und Solidarität“ von Dortmunder Rathaus-Spitze und SPD. Zuvor hatte auch Gelsenkirchens OB Frank Baranowski (SPD) geplante Nullrunden für Teile der Beamtenschaft in NRW kritisiert.

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Drei-Stufen-Programm

Die Angestellten der Länder erhalten in diesem Jahr 2,65 Prozent und im kommenden Jahr 2,95 Prozent mehr Gehalt. Nach dem rot-grünen Gesetzentwurf, der auch am Mittwoch erstmals den Landtag ­beschäftigt, soll dieser Abschluss dagegen nur auf die unteren Beamtenbesoldungsgruppen bis A 10 komplett übertragen werden. Der Mittelbau (A 11 und A 12) soll nur jeweils ein Prozent mehr Lohn erhalten. Der höhere Dienst ab A 13 geht nach den Plänen der Regierung Kraft leer aus.

Dortmunds OB Ullrich Sierau (SPD) begründet in einem Brief an Römer die Forderung nach einer 1:1-Übertragung auf alle Beamte unter anderem mit der „Aufrechter­haltung der Arbeitsmotivation bei den Beamtinnen und Beamten“. Sie leisteten seit Jahren „erhebliche ­Beiträge zur Konsolidierung der ­Personalkosten“. Sierau verweist auf Streichungen oder Kürzungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder die verlängerte Wochenarbeitszeit.

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Einsparvolumen: 1,3 Milliarden Euro

Im Gegenzug wirft Römer dem Dortmunder Rat vor, für fällige Mehrausgaben beim Personal keine Finanzierungsvorschläge zu machen. „Darüber schweigt sich der Ratsbeschluss aus“, bemängelt er in einem Schreiben an SPD-Fraktionschef Ernst Prüsse, das der WAZ vorliegt, und setzt spitz hinzu: „Du wirst uns sicher zeitnah einige Ideen liefern können.“ Eine volle Tarif-Übertragung für Beamte würde NRW nachhaltig 1,3 Milliarden Euro kosten oder den Abbau von 14.000 Stellen bedeuten, so Römer, der Kopien des Briefs an Kraft und Sierau geschickt hat.

Protest zum Jahrestag der NRW-Wahl

Für diesen Mittwoch, 15. Mai, rufen der NRW-Beamtenbund und der Deutsche Gewerkschaftsbund zur landesweiten Protestaktion in Düsseldorf auf. Bereits am Montag demonstrieren Staatsanwälte und Richter vor der Düsseldorfer Staatskanzlei ein weiteres Mal gegen die geplanten Nullrunden. Während bei Lehrern, Polizeibeamten und anderem Landesbeamten die unteren Einkommensgruppen noch ein Gehaltsplus erhalten, gehen alle rund 5400 Richter und Staatsanwälte im Land leer aus: Bereits das Einstiegsgehalt entspricht der Besoldungsgruppe A13, ab der die Nullrunde gilt.

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Dabei, so rechnet der Bund der Richter und Staatsanwälte NRW (DRB NRW) vor, komme ein junger Richter netto auf ein Einstiegsgehalt von rund 2200 Euro für 41 Arbeitsstunden in der Woche. Die doppelte Null-Runde über zwei Jahre für alle Besoldungsstufen – und alle Pensionäre – sei faktisch eine kräftige Minus-Runde für alle Richter und Staatsanwälte.

Explosive Stimmung in den Gerichten

Zunehmend „explosiv“, so der Duisburger Staatsanwalt Jochen Hartmann, sei deshalb die Stimmung in den Justizbehörden des Landes. „In vielen Gerichtskantinen verzeichnen wir eine vorrevolutionäre Stimmung“, erklärte der Vize-Vorsitzende des Richterbundes, der den Protest vor dem Landtag anführt. Rund 1000 Richter und Staatsanwälte würden dort ihrem Zorn Luft machen unter dem Motto „KRAFTvoll anGELOGEN“. Auch Hartmann kritisiert das geplante Sparprogramm der Landesregierung als „handstreichartig“, Hannelore Kraft (SPD) erweise sich damit als „Rabenmutter für alle Beamten und Richter in NRW“, sie habe „das Vertrauen und den Idealismus der Beamten und Richter in NRW verraten“.

Den 13. Mai haben die NRW-Juristen bewusst für ihren Marsch auf Düsseldorf gewählt: Es ist der Jahrestag der für Rot-Grün erfolgreichen NRW-Wahl. Jubelgesänge hat die Regierungschefin von den Anwesenden allerdings nicht zu erwarten.