Hannover. Ermittler haben in Niedersachsen vier mutmaßliche NS-Verbrecher in Verdacht. Es soll sich bei den Männern um mögliche Wachleute des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau mit “Bezügen“ zu dem Bundesland handeln, teilte das Justizministerium in Hannover am Mittwoch mit. Am Montag war bereits ein 93-Jähriger aus Baden-Württemberg nach konkretem Verdacht festgenommen worden.
Ermittler haben in Niedersachsen vier mögliche NS-Verbrecher ins Visier genommen. Vorermittlungen zufolge handle es sich um mutmaßliche Wachleute des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau mit "Bezügen" zu dem Bundesland, teilte das Justizministerium in Hannover am Mittwoch nach einer Unterrichtung des zuständigen Landtags-Ausschusses mit. Derzeit werde abgeklärt, ob eine strafrechtliche Verfolgung möglich ist. Erst danach könne über die Einleitung eines formellen Ermittlungsverfahrens entschieden werden.
Die Männer gehören den Angaben zufolge zu einer größeren Verdächtigengruppe, bei denen die Zentrale Stelle in Ludwigsburg eine Beteiligung an NS-Verbrechen in Vernichtungslagern prüft. Die Behörde in Baden-Württemberg ist eine bundesländerübergreifende Spezialeinrichtung der Staatsanwaltschaften.
93-Jähriger bereits festgenommen
Gegenwärtig wird dort eine Liste mit 50 Ex-Aufsehern von Auschwitz-Birkenau genau unter die Lupe genommen. Im Fall eines 93-Jährigen aus Baden-Württemberg hatte sich der Verdacht bereits derart konkretisiert, dass er am Montag von Polizisten festgenommen worden war.
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Der Mann soll nach Angaben der Stuttgarter Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zum Mord angeklagt werden. Es sei davon auszugehen, dass der Beschuldigte nicht selbst getötet habe, aber "mit seinen Handlungen dort die Täter unterstützte".
Größtes NS-Vernichtungslager
In Auschwitz-Birkenau ließ das NS-Regime während des Zweiten Weltkriegs etwa eine Million Menschen ermorden, die allermeisten davon Juden. Der Komplex war mit seinen Gaskammern das größte NS-Vernichtungslager.
Erste Prozesse gegen NS-Täter aus Auschwitz-Birkenau gab es in Deutschland vor etwa 50 Jahren. In den vergangenen Jahren hat sich die Rechtsprechung mit Blick auf NS-Verbrecher aber teils geändert, wodurch die Staatsanwaltschaften die Chance zur Verurteilung weiterer Täter sehen und entsprechend aktiv werden. Mord - und damit auch Beihilfe zum Mord - verjährt nach deutschem Recht nie.
Details müssen noch geklärt werden
Ursprünglich galt ein direkter oder zumindest indirekter "individueller Tatbeitrag" zur Ermordung von Gefangenen juristisch als Voraussetzung. Dies aber hat sich seit dem als wegweisend eingestuften Urteil gegen den KZ-Aufseher John Demjanjuk 2011 jedenfalls vorläufig geändert. Damals reichte dem Gericht die Tätigkeit in einem Lager auch ohne Nachweis direkter Mord-Beteiligung aus.
Nach Angaben des niedersächsischen Justizministeriums müssen in den Fällen der vier mutmaßlich in Niedersachsen lebenden Verdächtigen weitere Ermittlungen zusätzliche Details klären. Unter anderem müsse festgestellt werden, ob sie im In- oder Ausland schon wegen ihrer möglichen Taten vor Gericht gestanden hätten, erklärte das Ministerium in Hannover. Das würde eine neuerliche Strafverfolgung ausschließen. (afp)