Hamburg. Entlastungen für “die oberen Zehntausend“ seien der falsche Weg: Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, hat das deutsche Steuersystem kritisiert. Zum Auftakt des Evangelischen Kirchentags in Hamburg forderte Schneider eine stärkere europäische Perspektive des Kirchentages.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, hat das deutsche Steuersystem als ungerecht kritisiert. In den vergangenen zwanzig Jahren seien "die oberen Zehntausend" durch Steuersenkungen entlastet worden, dadurch sei "das Pendel in die falsche Richtung" ausgeschlagen, sagte Schneider am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur. "Wir müssen darauf achten, dass wir wieder zum rechten Maß zurückfinden", verlangte der EKD-Ratsvorsitzende. Höhere Steuern für Besserverdienende oder eine Vermögensabgabe bezeichnete er in diesem Zusammenhang als denkbar.

Schneider wies Forderungen zurück, die Kirche solle sich nicht in die politische Debatte einmischen. "Das geht gar nicht anders. Das Evangelium will die Welt verändern", sagte der Ratsvorsitzende. Dabei gehe es auch um politische Strukturen. Schneider äußerte sich anlässlich des Evangelischen Kirchentages, der am Mittwoch in Hamburg begonnen hatte.

Mit Blick auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit in südeuropäischen Euro-Krisenstaaten sprach sich Schneider für eine stärkere europäische Perspektive des Kirchentages aus. Innerhalb der evangelischen Kirche gebe es deswegen Überlegungen, einen europäischen Kirchentag auszurichten. Bereits in Hamburg sei dazu mit Einladungen an europäische Partnerkirchen ein erster Schritt getan worden.

Zollitsch beklagt weltweite Verfolgung von Christen

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hat die weltweite Verfolgung von Christen beklagt. "Noch nie zuvor in der Geschichte wurden so viele Christen bedrängt und verfolgt wie in unseren Tagen", sagte der katholische Freiburger Erzbischof am Donnerstag bei einer Bibelarbeit auf dem Evangelischen Kirchentag in Hamburg. "Christen werden immer häufiger Zielscheibe von Gewalt und Terrorakten." Ein Beispiel sei Ägypten: "Der arabische Frühling, der nach Freiheit und Demokratie strebte, ist vielerorts zum Herbst und teilweise sogar zum bitteren Winter umgeschlagen."

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Zollitsch forderte weltweit mehr Solidarität mit bedrängten Christen: "Die Politik, jeder einzelne Politiker bei uns, ist dazu aufgerufen, auf die Staaten einzuwirken, die Menschen nicht vor Übergriffen aufgrund ihres Glaubens schützen oder gar um ihres Bekenntnisses zu Christus willen verfolgen." Auch jeder einzelne Christ könne sich etwa durch gesellschaftliches und politisches Engagement und Gebete für die Unterdrückten einsetzen. (dpa/afp)