Fast möchte man von paradiesischen Zuständen sprechen, wenn es darum geht, die ausgesprochen angenehme und im guten Sinne eigentümliche Stimmung eines Kirchentags zu beschreiben. Friedlich, freundlich, tolerant und respektvoll geht es in aller Regel zu. Ganz so, als übe Gottes Volk für den Ernstfall, der ihm verheißen ist.
In Hamburg werden sich evangelische Christen treffen, die mit ihrer Konfession in letzter Zeit durchaus etwas selbstbewusster gegenüber den katholischen Glaubensschwestern und -brüdern auftreten. Die geschickt angelegte Luther-Dekade, aber durchaus auch der neue Papst, haben die eigene Wertschätzung ein wenig herausgefordert und herausgebildet. Das Motto der westfälischen Präses Annette Kurschus - Ökumene ja gern, aber nicht um jeden Preis - hat die evangelische Kirche offenbar auf breiter Front erreicht.
Christliches Selbstbewusstsein, nicht zu verwechseln mit törichter Überheblichkeit, bildet auch eine wichtige Voraussetzung für den interreligiösen Dialog, der mehr denn je überlebenswichtig für das gesellschaftliche Miteinander erscheint: Nur wer sich seiner eigenen Position sicher ist, kann eine andere Haltung und Glaubensüberzeugung angstfrei tolerieren.
Kirchentage tragen in diesem Sinne doppelt zur Vergewisserung des eigenen Standpunktes wie auch zur Öffnung gegenüber anderen Religionen bei. Das diesjährige Kirchentagsmotto „Soviel du brauchst“ lässt sich dabei trefflich in jede Argumentationsrichtung einbetten. Es gemahnt zur Demut und Bescheidenheit, verweist zugleich aber auch auf eine gewisse Weite des des gesetzten und erlebbaren Horizonts.