Berlin. . Unionsfraktionschef Volker Kauder setzt sich seit vielen Jahren für verfolgte Christen ein. Im Interview erzählt er, dass sich ihre Lage in vielen Ländern verschlechtert hat – und er erklärt am Beispiel Saudi-Arabien, wie es in der Außenpolitik zu schweren Interessenskonflikten kommen kann.

Immer wieder weist Unionsfraktionschef Volker Kauder auf das Schicksal verfolgter Christen hin. In Kirchengemeinden, im Bundestag. Das Thema ist ihm ein Herzensanliegen. Er war in Ägypten, Indonesien, Indien, Marokko, Malaysia, um vor vor Ort über die Probleme der christlichen Minderheiten zu sprechen. Der NRZ hat er erzählt, warum ihm das Thema so wichtig ist. Und warum er sich manchmal schuldig fühlt, wenn er politische Entscheidungen trifft.

Herr Kauder, die Kanzlerin unterstützt ihr Eintreten für verfolgte Christen. Freut Sie das?

Volker Kauder: Natürlich. Wer könnte das Anliegen besser unterstützen als die Kanzlerin? Angela Merkel verfolgt das Thema konsequent. Als sie zuletzt in Indonesien war, hat sie sich auch mit Vertretern christlicher Organisationen getroffen. In unserer Koalitionsvereinbarung ist der Einsatz für Religionsfreiheit als Bestandteil unserer wertegeleiteten Außenpolitik festgehalten. Auch unser Bundesaußenminister spricht das immer wieder in den Ländern an, in denen es Probleme mit der Religionsfreiheit gibt.

Das Thema ist relativ neu auf der Tagesordnung. Was ist passiert?

Kauder: In vielen Ländern hat sich die Lage der Christen gerade in vergangenen Jahren massiv zugespitzt. Zunächst im Irak, dann in Nordafrika, aber auch in anderen Ländern des Kontinents wie Nigeria. Im Bürgerkrieg in Syrien sind die Christen zwischen die Fronten geraten. Dort, wo der Islam Staatsreligion ist, ist die Lage für die Christen generell schwierig. Wichtig ist, dass die Medien jetzt aber auch mehr über die Lage der Christen berichten. Das Thema ist dadurch stärker im Bewusstsein der Öffentlichkeit.

Volker Kauder
Volker Kauder © WP


In Ländern wie dem Irak, Syrien oder Ägypten haben Muslime und Christen früher friedlich zusammengelebt. Warum nimmt die Verfolgung zu?

Kauder: In den Diktaturen lebten die Christen in der Tat in größerer Sicherheit. Die autoritären Regime hatten jede Form von Extremismus unterdrückt. Nun herrscht in den Ländern vielfach ein Vakuum – und damit beginnt leider das Drama für die Christen. Die Unterdrückung des Diktators ist weg, aber dadurch mehr oder weniger auch die Sicherheit für die Christen. In Ägypten befürchten die Christen auch noch, dass ihr Land sich zu einem islamischen Gottesstaat entwickeln könne.

Sie waren in Ägypten. Sprechen Sie diese Entwicklung offen an?

Kauder: Ja. Ich setze mich in meinen Diskussionen gar nicht mit den Inhalten von Religion auseinander. Ich verlange nur, dass die Religionen sich frei entfalten können. Dass Christen ebenso ihre Kirchen bauen dürfen, wie in Deutschland Muslims ihre Moscheen.

Was sagen Ihre Gesprächspartner, wenn Sie so etwas verlangen?

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Kauder: Von offizieller Seite wird in Ägypten gesagt, es gebe keine Verfolgung von Christen. Das glaube ich auch. Ich habe aber auch darauf hingewiesen, dass die neue ägyptische Verfassung postuliert, dass das öffentliche Leben nach den Grundsätzen der Scharia zu gestalten ist. Das führt nach der Einschätzung der Kopten mehr und mehr zu ihrer Diskriminierung.

Inwiefern?

Kauder: In der Menschenrechtskonvention der UNO, die fast alle Länder unterschrieben haben, steht das Recht auf freie Religionsausübung. Dort steht auch drin, dass der Glaubenswechsel zur Religionsfreiheit gehört. Hier fangen auch in Ägypten die Schwierigkeiten an. In anderen islamischen Ländern ist das noch krasser. Christen dürfen dort nicht öffentlich auftreten, weil das als Missionierung verstanden wird. Und das ist dann strafbar.

In Saudi-Arabien droht Menschen, die zum Christentum konvertieren, die Todesstrafe. Trotzdem segnet Ihre Regierung Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien ab…

Kauder: ...bis jetzt in Anfragungen und Bestrebungen, die Panzer sind aber noch nicht geliefert…

…die Bundesregierung hat aber grünes Licht für das Geschäft gegeben…

Kauder: Ich will die Diskussion nicht weiter führen. Auf alle Fälle gibt es eine Zusammenarbeit.

Ist das Ihre Vorstellung von wertegeleiteter Außenpolitik?

Kauder: In der Außenpolitik kann es immer wieder zu schweren Interessenkonflikten kommen. Saudi-Arabien ist sicher ein Land, das die Rechte der Christen nicht achtet. Es ist aber auch ein Land, das für Stabilität sorgt und das verhindert, dass der Iran eine Vormachtstellung in der Region bekommt. Saudi-Arabien ist damit auch indirekt eine Schutzmacht für Israel. Wenn man als Politiker in einem solchen Interessenkonflikt eine Entscheidung fällt, kann man schuldig werden, ganz egal, für was man eintritt. Damit muss man fertig werden. Mir hilft die Möglichkeit, mit meinem Gott darüber zu sprechen.

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Christen werden in islamischen Ländern spätestens seit Bushs Parole vom „Kreuzzug gegen den Terror“ als fünfte Kolonne des Westens gesehen. Der Beginn des Irakkriegs vor zehn Jahren war speziell im Irak, aber auch andernorts, der Startschuss für eine massivere Christenverfolgung. Bereuen Sie es heute, dass Sie damals den US-amerikanischen Einmarsch unterstützt haben?

Kauder: Bei allen Problemen, die es heute gibt: Der Irak wurde von einer Diktatur befreit. Deswegen halte ich die Entscheidung noch heute für richtig. Dass im Umfeld des Krieges vieles falsch gelaufen ist und die Aussage des Präsidenten Bush den Christen viele Probleme bereitet hat, sehe ich auch so – aber eine Welt ohne Diktaturen ist eine bessere Welt. Wir müssen auch sehen, was Diktaturen ihrem Land insgesamt antun.

Also müsste der Westen auch in Syrien einmarschieren?

Kauder: Man hat manchmal den Wunsch dort einzugreifen, um dem täglichen Morden ein Ende zu bereiten. Aber auch dies würde große Risiken mit sich bringen.

Die Christen im Irak sagen: „Unter Saddam war es besser.“

Kauder: Ja. Das sagen die Christen in Syrien auch. Aber ich sage ihnen, dass sie sich nicht unter den Schutz eines Diktators stellen können, der für den Bürgerkrieg in ihrem Land verantwortlich ist.

Wie kann Deutschland den verfolgten Christen konkret helfen?

Kauder: Eines dürfen wir nicht tun: Die Entwicklungshilfe für solche Länder streichen. Das würde den Christen noch größere Probleme bringen, weil sie dann auch als Sündenböcke dastünden, dass nun keine weitere Hilfe mehr fließt. Nein. In vielen Ländern sind Christen besonders im Gesundheits- und Bildungswesen tätig. Deswegen versuchen wir speziell im Irak mit Entwicklungsgeldern im kurdischen Nordosten, wo Christen in Ruhe leben können, Schulen und Krankenhäuser einzurichten. Dann haben sie Arbeit und können etwas für die Region tun.

Wie schätzen Sie die Lage der Christen in der Türkei ein?

Kauder: In der Türkei hat sich in den vergangenen Jahren einiges verbessert. Aber es gibt noch keine Religionsfreiheit. Die griechisch-orthodoxe Kirche darf keine Priester ausbilden, das Kloster Mor Gabriel ist in einer fürchterlichen Art und Weise bedrängt, der Bau christlicher Kirchen wird erschwert oder verhindert. Das ist kein europäischer Standard. Und so lange der nicht erreicht ist, ist die Türkei noch von Europa entfernt. Europa ist auch eine Wertegemeinschaft. Wer zu dieser Wertegemeinschaft gehören will, muss auch Religionsfreiheit garantieren.