Paris. Widerstand gegen die Homo-Ehe in Frankreich kündigt die konservative Opposition an. Der Widerstand geht auf Ängste und Fundamentalismus in der französischen Gesellschaft zurück, urteilen Experten. Die Debatte ist für die Opposition auch die erste Möglichkeit, François Hollande Paroli zu bieten.
Auch wenn die Homo-Ehe in Frankreich beschlossene Sache ist, wollen die Gegner der Reform noch lange nicht klein beigeben. Die konservative Opposition wird Beschwerde vor dem Verfassungsrat einlegen, neue Demonstrationen sind am 5. und 26. Mai geplant und der nächste Aufruhr steht an, falls die Sozialisten wie angekündigt ihr Vorhaben der künstlichen Befruchtung für Homosexuelle in Gesetzesform gießen. Dass der Widerstand gegen die Homo-Ehe in Frankreich so heftig ist wie in keinem anderen EU-Land, hat historische und politische Gründe.
Der Soziologe Michel Wievorka hebt hervor, dass sich die Opposition vor allem rund um das Adoptionsrecht für Homosexuelle formiert habe, das in dem Gesetz zur Homo-Ehe ebenfalls festgeschrieben ist. Fragen zu "Leben, Tod, künstlicher Befruchtung, Abstammung" seien Besorgnisse "im katholischen Milieu, aber nicht nur". Der Soziologe und Zentrums-Europaabgeordnete Robert Rochefort sagt, dass es um "Ängste" einer verunsicherten Gesellschaft gehe, die teils bei Fragen der "Identität" empfindlich reagiere.
Konservative Opposition, Familienverbände und katholische Kirche protestieren
Das Lager der Gegner besteht in erster Linie aus der konservativen Oppositionspartei UMP, deren Galionsfigur Nicolas Sarkozy im vergangenen Mai die Präsidentschaftswahlen gegen den Sozialisten François Hollande verlor, sowie der katholischen Kirche und Familienverbänden. Bei Demos dieses breiten Bündnisses marschieren allerdings auch Rechtsextreme, radikal-fundamentalistische Katholiken oder sogar Monarchisten mit.
Die geschwächte UMP, die sich Ende vergangenen Jahres in einem Machtkampf um die Parteiführung fast selbst zerfleischte, fand beim Thema Homo-Ehe wieder zu Geschlossenheit zurück. "Eine große Demonstration, zu der hunderttausende Menschen kommen werden, um 'Nein' zur Politik der Regierung zu sagen", prognostizierte UMP-Chef Jean-François Copé nun für den 26. Mai. Ex-Verteidigungsminister Hervé Morin von der Zentrumspartei UDI sagte gar voraus, dass Millionen gegen die Sozialisten auf die Straße gehen würden, wenn die Opposition dazu aufriefe.
Möglichkeit für Opposition gegen Hollande zu demonstrieren
Die Homo-Ehe sei die "erste Möglichkeit für die Rechte", um gegen Hollande und seine linke Regierung zu demonstrieren, unterstreicht der Politikwissenschaftler Jean-Yves Camus. Der UMP habe sich "eine dreifache Chance" geboten: "Sie ist in der Opposition und muss sich neu aufstellen. Die schlechte wirtschaftliche und soziale Lage macht es möglich, den Protest auszuweiten. Und die Popularität des Staatschefs ist sehr weit unten." Tatsächlich rutschte die Zustimmung der Franzosen zu ihrem Präsidenten zuletzt auf 25 Prozent ab.
All dies reicht aber noch nicht aus, um die Eskalation in der politischen Stimmung Frankreichs zu erklären. Zuletzt hatte es in der Nationalversammlung bei der Debatte über die Homo-Ehe fast eine Schlägerei gegeben. In 30 Jahren habe er "so etwas noch nie gesehen", sagte Minister Alain Vidalies danach. Andere Sozialisten erhielten Briefe mit Morddrohungen und Schießpulver.
Stark verwurzelter Fundamentalismus in Frankreich
Politologe Camus erinnert daran, dass Frankreich ein geschichtliches "Erbe" immer noch nicht ganz bewältigt habe, mehr als zwei Jahrhunderte nach der französischen Revolution und der Errichtung der Republik: Die strikte Trennung zwischen Staat und Kirche sei gewaltsam erfolgt und "zwei Frankreichs" würden sich weiter misstrauen. Der katholische Fundamentalismus sei zwar eine Minderheit, aber stark verwurzelt.
Die Sozialisten sind inzwischen offen besorgt. Ihr Chef im Senat, der Hollande-Vertraute François Rebsamen, warnte UMP-Chef Copé vor einem "Spiel mit dem Feuer". Die Demos gegen die Homo-Ehe würden instrumentalisiert, sagte er und fügte hinzu: "Die UMP akzeptiert ihre Wahlniederlage vom vergangenen Mai nicht und alles ist ihr recht, um Hysterie in die Gesellschaft zu tragen." (afp)