Düsseldorf. . Das Hilfsprogramm des Landes für Neonazis, die der Szene den Rücken drehen wollen, zieht Bilanz nach zehn Jahren: Etwa 90 Prozent der erfassten Aussteiger werden nicht mehr straffällig. Aber nicht jeder der Kandidaten meint es ernst, mit der Nazi-Szene zu brechen.

Abkehr von rechtsextremistischen Feindbildern, Absage an Rassismus und Fremdenhass sowie „Gewaltabstinenz“ – die Kriterien eines erfolgreichen Ausstiegs aus der Neonazi-Szene sind klar definiert. 131 meist junge Leute in NRW haben es, unterstützt von Beratern des Verfassungsschutzes, in mehr als zehn Jahren geschafft. Es ist ein Prozess, der oft bis zu fünf Jahren dauert, bis die neue Existenz als stabil genug gelten kann.

Nicht alle meinen es ernst

Nach ihrer Aufnahme in das Programm des Innenministeriums wurden etwa 90 Prozent der erfassten Aussteiger nicht mehr straffällig. Das geht aus einer Antwort auf eine Anfrage der Piraten-Fraktion hervor. Gemessen an der Straffälligkeitsrate vor dem Einstieg (83 Prozent), sei dies ein „großer Erfolg“, heißt es.

Aber nicht jeder der Kandidaten meint es ernst mit dem Ausstieg. „Manche wollen sich nur einen Vorteil bei der Jobsuche oder in einem laufenden Strafverfahren verschaffen“, sagt Jörg Rademacher im Innenministerium. Wenn kein „echter Wille“ zu erkennen sei, das Dasein als Neonazi zu beenden, müsse man sich trennen. Jeder Anwärter muss zunächst eine Selbstverpflichtung unterschreiben, dass er den Kontakt zur Szene aufgibt. Das funktioniert nicht immer: In 90 von bisher 220 Fällen blieb am Ende der Erfolg aus.

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Das Bekenntnis zu demokratischen Grundwerten ist nur eine Säule. Lebenspraktische Hilfe zur Selbsthilfe ist die andere, um Ausstiegswillige zu stabilisieren. Die Szene lässt ihre Mitglieder nicht einfach gehen. Wer die braune Bewegung verlassen will, gilt als Verräter, dem Gefahr droht. Neben Betreuung und Beratung vermitteln die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes auch psychologische Hilfe. Zum Konzept gehören zudem Haftbetreuung oder Familienzusammenführung.

Geld wird nur in geringem Maße eingesetzt. „Ausnahmsweise“, so das Innenministerium, könne ein Zuschuss gewährt werden, wenn beispielsweise Ersatz für Szene-Bekleidung beschafft oder rechtsextreme und strafbare Tätowierungen entfernt werden sollen. Dem gehe eine Einzelfallprüfung voraus. Zinslose Darlehen im niedrigen dreistelligen Bereich sind möglich, wenn ein Aussteiger in eine andere Stadt ziehen muss, um dem Kameradschafts-Umfeld zu entkommen. Geldstrafen dürfen damit nicht beglichen werden.

Eine Frau im Team

Zu den in NRW betreuten Personen gehören auch ehemalige Neonazi-Funktionäre. Die vier Mitarbeiter des Programms – darunter eine Frau – gehen verstärkt von sich aus auf Personen zu, die sie für ausstiegswillig halten. Auch Häftlinge werden angesprochen. Wer von sich aus in Kontakt mit einem Betreuer treten will, kann dies telefonisch unter 0211-837 1001 tun.