Düsseldorf. . NRW-Innenminister Ralf Jäger hat zugegeben: Bei der Aktion gegen die Salafisten-Zelle in Bonn übersah die Polizei Sprengstoff in einem Kühlschrank. Erst nach einem Tipp stießen die Fahnder doch noch auf den Sprengstoff, mit dem möglicherweise Anschläge auf Mitglieder der rechtsextremen Partei „Pro NRW“ verübt werden sollten.

Es handelte sich nur um einen Kühlschrank – doch er hatte es in sich. Den explosiven Inhalt übersah die Polizei, als sie bei ihrem Einsatz gegen vier Salafisten im März eine Bonner Wohnung durchsuchte. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) muss deshalb jetzt eine Ermittlungspanne einräumen. Erst nach einem Tipp stießen die Fahnder doch noch auf den Sprengstoff, mit dem möglicherweise Anschläge auf Mitglieder der rechtsextremen Partei „Pro NRW“ verübt werden sollten.

Ein interner Bericht Jägers auf Anfrage der CDU im Landtag belegt den Fehler der Polizei. Sie war am Morgen des 13. März in mehrere Wohnungen in Essen, Leverkusen und Bonn eingedrungen, um Tatverdächtige einer radikal-islamistischen Zelle festzunehmen. Im Bonner Stadtteil Tannenbusch sprengten die Ermittler eine Wohnungstür auf und stellten eine Pistole sowie 600 Gramm explosives Ammoniumnitrat sicher. Den Kühlschrank inspizierten sie dabei nur oberflächlich.

Nach dem Jäger-Papier, das der WAZ Mediengruppe vorliegt, war es nach dem gewaltsamen Öffnen der Tür nicht mehr möglich, die zwei mitgebrachten Sprengstoffspürhunde in der gegenüberliegenden Küche einzusetzen. Die Fahnder, darunter zwei Bombenentschärfer des Landeskriminalamts (LKA), nahmen den gut gefüllten Kühlschrank nur „in Augenschein“. Das war nicht genug, wie sich später herausstellte.

Polizei bekam einen Hinweis

„Eine detaillierte Prüfung der Inhalte erfolgte nicht, obwohl dies, insbesondere vor dem Hintergrund des strafrechtlichen Vorwurfs und der Auffindung von sprengfähigen Substanzen (...) im Rahmen einer sorgfältigen Tatortaufnahme und Durchsuchung der Wohnung zwingend erforderlich gewesen wäre“, schreibt Jäger heute. Von dem explosiven Material im Kühlschrank erfuhren die Ermittler erst, als zwei Tage später eine Sozialarbeiterin der Justizvollzugsanstalt Dortmund das Polizeipräsidium Essen mit einem Anruf alarmierte.

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Von Theo Schumacher und Miguel Sanches

Marco G, einer der verdächtigten Salafisten, hatte sich ihr im Dortmunder Gefängnis anvertraut – offenbar um seine Ehefrau zu warnen, den Kühlschrank zu meiden, weil sonst das Risiko einer Explosion bestehe. Das berichtet „Spiegel Online“. Am selben Tag rückte die Polizei ein zweites Mal an, jetzt in Begleitung von Beamten des Bundeskriminalamts (BKA). Bei der Durchsuchung fanden sie im Kühlschrank zwei Behälter mit verdächtigen Chemikalien.

LKA vor einem Rätsel

Sie stellten auch den Sprengstoff-Experten des LKA vor Rätsel. Er konnte nicht ausschließen, so der Innenminister in seinem Bericht, dass es sich bei der Substanz um „extrem handhabungsunsichere Explosivstoffe“ handelte. Um kein Risiko einzugehen, brachten die Ermittler ihren Fund aus dem Mehrfamilienhaus und zündeten ihn kontrolliert in zwei Erdlöchern. Nach der Detonation entnahmen sie Bodenproben. Der Sprengstoff wird nun analysiert.

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„Die Defizite der Wohnungsdurchsuchung werden mit allen Beteiligten intensiv aufgearbeitet“, sichert Jäger in dem Bericht zu, der am morgigen Donnerstag in der Sitzung des Innenausschusses debattiert werden soll.

Zu den vier militanten Salafisten, die eine Anschlagserie auf Politiker von „Pro NRW“

geplant haben sollen, zählt auch Koray D. Der in Aachen geborene 24-Jährige habe sich, so berichten ehemalige Mitschüler, schon früh für selbst gebastelten Sprengstoff begeistert. Vor zwei Jahren bewarb er sich für den Polizeidienst in Bremen. Als er dann eine Waffenerlaubnis mit seinem späteren Arbeitsplatz bei der Polizei begründete, wurde die Stellenzusage wieder gestrichen.