Düsseldorf. . Laut einem Gutachten im Auftrag des NRW-Innenministeriums sollen die NRW-Kommunen künftig weniger Geld vom Land als Ausgleich für ihre Soziallasten erhalten. Betroffen wären vor allem Großstädte an Rhein und Ruhr. Es geht um zweistellige Millionenbeträge, die den Kommunen fehlen würden.
Den Städten im Ruhrgebiet drohen neue finanzielle Einschnitte in großem Stil. Nach einem Gutachten im Auftrag des Innenministeriums sollen die NRW-Kommunen künftig weniger Geld vom Land als Ausgleich für ihre Soziallasten erhalten. Betroffen wären vor allem Großstädte im Revier mit hoher Arbeitslosigkeit und vielen Hartz-IV-Familien. Städte wie Köln, Düsseldorf oder Bonn würden profitieren.
Nach einer internen Rechnung des Bochumer Stadtkämmerers Manfred Busch für die so genannten „Stärkungspakt-Kommunen“, die der WAZ Mediengruppe vorliegt, müsste Duisburg weitere jährliche Mindereinnahmen von 37,1 Millionen Euro verkraften. Hohe Ausfälle hätten auch Dortmund mit 34,7 Millionen Euro, Essen (30,6), Gelsenkirchen (26,2), Bochum (13,6), Oberhausen (11,5) und Herne (11,4). Pro Einwohner wäre Gelsenkirchen mit einem Minus von 101 Euro am härtesten betroffen.
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Grundlage der Kalkulation ist eine Studie des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Uni Köln (FiFo), das eine Reform der Gemeindefinanzierung vorschlägt. Es wird derzeit im Innenministerium ausgewertet.
Kostenerstattung drastisch senken
Die Gutachter, die im Auftrag des NRW-Innenministers die Städtefinanzen unter die Lupe genommen haben, halten den Anteil der „Bedarfsgemeinschaften“, also Hartz-IV-Empfänger, zwar für den „verlässlichsten und sachlich angemessenen Indikator“ bei der Berechnung der Soziallasten der Städte. Sie schlagen aber auch vor, die Kostenerstattung drastisch zu senken.
„Uns sind die Sorgen vor allem der strukturschwachen Kommunen im Ruhrgebiet bekannt“, heißt es dazu beim Städtetag. Frank Baranowski, Vorsitzender der SPD-Kommunalpolitiker in NRW, spricht von „ersten Auswertungsversuchen“ einzelner Kämmerer, die aber zu „düsteren Prognosen“ kämen, besonders für die Städte im Stärkungspakt des Landes. „Der wäre dann möglicherweise nur noch Makulatur“, befürchtet Gelsenkirchens OB.
Zusätzliche Brisanz gewinnt das Gutachten durch die aktuelle Klage vieler kleiner Kommunen gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz vor dem Verfassungsgericht Münster. Sie kritisieren, die Geldverteilung sei ungerecht, weil sie Großstädte bevorzuge. Kommunen mit vielen Arbeitslosen würden „belohnt“, so Coesfelds Bürgermeister Heinz Öhmann (CDU).
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Konflikt um Finanzen
Die Studie der Kölner Wissenschaftler wird im Konflikt um den kommunalen Finanzausgleich eine wichtige Rolle spielen – so die Einschätzung vieler Fachleute. Auch beim Städte- und Gemeindebund hält man den heutigen „Soziallastenansatz“, mit dem der Anteil von Hartz-IV-Familien gewichtet wird, für zu hoch. „Das Gutachten wird ein zentraler Baustein in den Verhandlungen mit dem Land“, so ein Sprecher des Verbandes.
Lars Klieve, Kämmerer der Stadt Essen, misst der Studie ebenfalls „hohe Relevanz“ für die weitere politische Beratung bei. „Am Ende entscheidet aber der Gesetzgeber“, sagt er. Für Klieve steht außer Zweifel, dass die Zahl der Hartz-IV-Empfänger ein gewichtiger Faktor bleiben müsse. „Das ist kein Gewinnergeschäft“, sagt er und verweist auf soziale Folgekosten, die von betroffenen Kommunen zu tragen seien.
Diese Kommunen kriegen Geld aus dem Stärkungspakt.
Entschieden ist bisher nichts. „Klar ist, dass die strukturelle finanzielle Benachteiligung einiger Kommunen nicht noch zunehmen darf“, warnt Frank Baranowski. Sollte das Gegenteil eintreten, so rechnet er mit Klagen. Baranowski hat Innenminister Ralf Jäger (SPD) um eine eigene Bewertung des Gutachtens gebeten. Er wisse nicht, ob die ersten Zahlen „wirklich zuverlässig“ sind.
Empfindliche Einbußen
Nach Analyse des Bochumer Kämmerers Manfred Busch würden allein die Kommunen im so genannten Stärkungspakt des Landes jährlich 167,6 Millionen Euro verlieren, wenn die Vorschläge der Gutachter umgesetzt würde – ein Viertel ihrer Gesamtförderung. Busch hat auch die drohenden Mindereinnahmen für kreisangehörige Städte berechnet. Demnach verlöre Recklinghausen 6,3 Millionen Euro. Hohe Einbußen träfen auch Castrop-Rauxel mit 5,5 Millionen Euro, Gladbeck (4,6), Dorsten (3,2), Herten (2,9) und Dinslaken (2,0).