Brüssel. . Deutschland spekuliert darüber, ob die Bundeskanzlerin im Jahr 2015 freiwillig zurücktreten würde. Und dann von Berlin nach Brüssel? Für sie spricht die Erfahrung, gegen sie das Timing - und die.

Wenn Angela Merkel tatsächlich 2015 zurücktritt – könnte sie dann nicht auf zweieinhalb deutsche Kanzlerschaften eine europäische Karriere folgen lassen? Das banale Klein-Klein der nationalen Politik mit großen Linien vertauschen, die geradewegs in die Geschichtsbücher führen? Auf den ersten Blick ist die Idee durchaus plausibel. Allerdings nur auf den ersten.

Die Kanzlerin ist mittlerweile europa-erfahren wie keiner ihrer Kollegen im Europäischen Rat (ER), mit Ausnahme des Luxemburgers Jean-Claude Juncker. Deutschland hat seit 1967 nicht mehr den Kommissionschef gestellt und ging auch bei der Erst-Besetzung der anderen Top-Posten (Präsident des Europäischen Rats, EU-Außenminister) leer aus. Seit die Finanzkrise vor zweieinhalb Jahren über Europa hereinbrach, ist die Berliner Regierungschefin im EU-Verbund die Führungsfigur Nummer Eins. Dass sie „Europa kann“, steht auch für Kritiker außer Frage, die mit der harten Linie bei der Euro-Sanierung nicht einverstanden sind.

Der Kommissionschef wird schon nächstes Jahr gewählt

Je näher man indes die Umstände betrachtet, desto unwahrscheinlicher wird die Merkel-Rochade nach Brüssel. Da wäre zunächst das Timing. 2015, zum Zeitpunkt der kolportierten Amtsmüdigkeit, ist in Europa nämlich nichts Passendes frei. Der Kommissionschef wird schon nächstes Jahr bestimmt, die Entscheidung sollen de facto die EU-Bürger mit ihrem Votum bei den Europawahlen im Frühsommer treffen.

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Der Vorsitz im Europäischen Rat, dem Zirkel der Staats- und Regierungschefs, wird ebenfalls im kommenden Jahr neu vergeben. Der Belgier Hermann Van Rompuy, erster Inhaber des hohen Amtes, scheidet im November 2014 aus. Nachfolger oder Nachfolgerin würden zwar zunächst nur für zweieinhalb Jahre bestellt. Aber selbst wenn die Position dann tatsächlich zur Verfügung stünde, müsste Merkel sich bis 2017 gedulden.

Bei der Ämtervergabe werden die kleinen Länder bevorzugt

Mindere EU-Ämter kommen für eine ehemalige Regierungschefin kaum in Frage. Schon als Nachfolgerin der glücklosen Chefdiplomatin Catherine Ashton ist Merkel schwer vorstellbar. Im übrigen tun sich die großen EU-Staaten mit Top-Bewerbungen schwerer als die kleineren Partner. Der britische Ex-Premier Tony Blair unterlag als Kandidat für die ER-Präsidentschaft 2009 dem Belgier Van Rompuy – in Brüssel gibt es kaum jemanden, der das im Rückblick bedauert.

Einer der drei Power-Posten an der Spitze des Europäischen Rats, der Kommission oder des Auswärtigen Dienstes stehe den Deutschen langsam zu, findet der CDU-Europapolitiker und Merkel-Vertraute Elmar Brok. „Wir sind auch mal wieder dran!“ Derzeit sind die Chancen bescheiden, dass die Kanzlerin diesen Anspruch höchstpersönlich einlöst.