Berlin/München. . Die “Süddeutsche Zeitung“ will die von ihr ausgewerteten Daten des “Offshore Leaks“ nicht an die Behörden übergeben. Einer entsprechenden Bitte der Bundesregierung “darf und wird die 'Süddeutsche Zeitung' nicht nachkommen“, erklärte die Redaktion am Freitag.

Die Bundesregierung erhofft sich von der Enthüllung dubioser Finanzgeschäfte in Steueroasen neuen Schwung für den Kampf gegen Steuerbetrug. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble appellierte am Freitag an die Medien, den Datensatz über mutmaßliche Steuerflüchtlinge an die Behörden weiterzugeben. Das erhöhe bei bislang bremsenden Staaten möglicherweise die Bereitschaft, länderübergreifend zusammenzuarbeiten. "Wenn man es ernst nimmt mit dem Kampf gegen Steuerhinterziehung, dann sollte man die Dokumente den zuständigen Behörden übergeben", sagte Schäubles Sprecher Martin Kotthaus in Berlin. Die Redaktion der "Süddeutschen Zeitung" lehnt aber eine Weitergabe der Daten ab und rechtfertigt ihre Entscheidung mit dem Schutz von Informanten.

Das Internationale Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) hatte von einer anonymen Quelle ein Datensatz über verschleierte Kapitalbewegungen in Steueroasen zugespielt bekommen. Darin ist von mehr als 130.000 Personen aus gut 170 Ländern die Rede. In mehr als 2,5 Millionen Dokumenten werden über 120.000 Briefkastenfirmen genannt, mit deren Hilfe Steuern vermieden würden. In einer beispiellosen Recherche schlossen sich Medien aus 46 Ländern zusammen, um die Daten zu prüfen. Aus Deutschland sind die "Süddeutsche Zeitung" und der NDR beteiligt.

Ministerium sieht "beeindruckenden Berg" an Informationen

Es handle sich um einen "beeindruckenden Berg" an Informationen, erklärte Schäubles Sprecher. Für eine Bewertung sei es aber noch zu früh. Um in den internationalen Ermittlungen voranzukommen, müssten die Medien die Daten weitergeben. "Dieser Bitte kann, darf und wird die 'Süddeutsche Zeitung' nicht nachkommen", teilte die Redaktion aber mit. Zur Pressefreiheit gehöre es, dass Informanten vom Redaktionsgeheimnis geschützt würden. Die Presse sei kein Hilfsorgan von Polizei und Steuerfahndung.

Schäuble hatte bereits im Deutschlandfunk frohlockt, dass die Enthüllungen den Druck zu mehr Zusammenarbeit verstärken könnten. So könnte es in der EU Fortschritte hin zu einem automatischen Informationsaustausch geben. Damit spielte er auf Österreich und Luxemburg mit ihren Sonderregelungen an. Auch in der Kooperation mit den USA sieht Schäuble Verbesserungsbedarf.

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Banken geraten wegen Enthüllungen ins Zwielicht

Wegen der Affäre geraten auch die Banken ins Zwielicht. Die Finanzaufsicht BaFin will ihnen genau auf die Finger schauen. Wenn die Behörde Anhaltspunkte dafür habe, dass ein Institut systematisch gegen Steuerrecht verstoße oder dabei helfe, werde man das untersuchen, sagte BaFin-Chefin Elke König Spiegel Online. "Die Banken tragen da eine besondere Verantwortung."

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück kritisierte die Haltung der Bundesregierung im Umgang mit Steueroasen als scheinheilig. Der frühere Finanzminister forderte ein Unternehmensrecht, mit dem Banken haftbar gemacht werden könnten, etwa wenn sie Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisteten. Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin will ein Unternehmensstrafrecht mit harten Strafen für die Helfer von Steuerhinterziehern.

Juristen sehen Banken schon jetzt mit in der Haftung. "Wenn ich als Bank ein Steuervermeidungsprodukt konstruiere, dann stehe ich am Ende auch mit in der Verantwortung", sagte der auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Fachanwalt Klaus Nieding aus Frankfurt. Und der Kölner Fachanwalt für Steuerrecht, Dirk Beyer, ergänzte: "Es gibt keinen Persilschein. Selbst wenn die Kunden versichern, ihre Steuern zu bezahlen, schließt das eine Strafbarkeit der Bank nicht aus - nämlich dann, wenn der Bankmitarbeiter die Steuerhinterziehung billigend in Kauf genommen hat."

"Steuer-Neutrale Umgebung"

Nach "SZ"-Recherchen spielt bei den sogenannten Offshore-Geschäften auch die Deutsche Bank eine Rolle: Sie habe über ihre Filiale in Singapur mehr als 300 Stiftungen und Briefkastenfirmen in Steueroasen gegründet, größtenteils auf den Britischen Jungferninseln. Auf einer Webseite wirbt Deutschlands größtes Geldhaus auch für die Cayman-Inseln und für Mauritius, die wegen ihrer "flexiblen Gesetzgebung" und "steuer-neutralen Umgebung" interessant seien.

Die Bank wehrt sich aber gegen den Verdacht, ihren Kunden beim Steuerbetrug zu helfen. "Die Deutsche Bank bietet Dienstleistungen für vermögende Kunden auf der Grundlage an, dass die Kunden ihre Steuerangelegenheiten vollumfänglich regeln und dabei alle Steuergesetze und Meldeverpflichtungen befolgen", erklärte sie. Ähnlich äußerte sich die Commerzbank : "Die Commerzbank bietet keine Dienstleistungen für vermögende Kunden an, die die Steuerangelegenheiten dieser Kunden vollumfänglich regeln."

Auch Schweizer Banken sind involviert: Nach Recherchen der "SonntagsZeitung" sind in der Eidgenossenschaft 300 Personen und 70 Gesellschaften in dubiose Offshore-Geschäfte verwickelt. Der Schweizer Bankenverband erklärte, man gehe davon aus, dass sich die Banken sich an die Gesetze hielten. Verstöße müssten konsequent verfolgt werden. International zählen die Credit Suisse und die UBS zu den wichtigsten Adressen in der Vermögensverwaltung. Die Credit Suisse erklärte: "Wir unterstützen keine Kunden bei Aktivitäten, die der Umgehung ihrer Steuerpflichten dienen." Die UBS wollte sich zur Sache nicht äußern.