Bielefeld. Die nordrhein-westfälische SPD hat am Samstag den sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück zu ihrem Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gekürt. Bei der Landesdelegiertenkonferenz in Bielefeld erhielt Steinbrück nach Parteiangaben am Samstag 97,72 Prozent der Delegiertenstimmen.

Volle Rückendeckung für den Spitzenkandidaten: Die Delegierten der NRW-SPD wählten Peer Steinbrück mit 97,7 Prozent auf Platz 1 ihrer Landesliste – und versammelten sich nach negativen Schlagzeilen und mäßigen Umfragewerden demonstrativ hinter ihm. Beim Parteitag in Bielefeld kam Steinbrück ohne Umschweife zur Sache und setzte voll auf Sieg. "Ich will Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden", rief er gleich zu Beginn seiner Rede, "wenn die SPD mobilisiert, dann kann sie gewinnen."

Mit der Nominierung ihres Spitzenmanns hat die Landes-SPD bis zuletzt unter allen im Bundestag vertretenen Parteien gewartet. Der Blick auf die prominente Bewerberriege lässt erahnen, wie umkämpft der Wählermarkt an Rhein und Ruhr sein wird – hier wird die Bundestagswahl maßgeblich entschieden. Mit Steinbrück konkurrieren Norbert Lammert (CDU), Guido Westerwelle (FDP), Bärbel Höhn (Grüne) und Sahra Wagenknecht (Linke).

Steinbrück will als Sozialpolitiker punkten

Vor den bodenständigen NRW-Genossen besetzt Steinbrück in seiner Rede vor allem sozialpolitisches Gelände. Mit dem Kampf gegen die Spaltung des Arbeitsmarkts, für eine gerechtere Einkommens- und Vermögensverteilung sowie ein durchlässigeres Bildungssystem unabhängig vom Geldbeutel der Eltern will er, will die SPD beim Wähler punkten. Die Rolle des kühl kalkulierenden Weltökonomen hat der einstige Krisenmanager im Wahlkampf einstweilen abgestreift.

Den Frauen, bei denen Steinbrück bisher nur bescheidene Sympathiewerte erreichen kann, widmet er sich gleich an mehreren Stellen seiner Rede. Die SPD wolle ein Frauenbild, "das im 21. Jahrhundert zuhause ist und nicht in den 50-er Jahren mit Nierentisch und Salzstangen", ruft er unter Beifall. Im Falle seines Wahlsiegs werde die SPD ein Entgeltgleichheitsgesetz auf den Weg bringen, damit Männer und Frauen gleich bezahlt werden. Außerdem will er dafür sorgen, dass das umstrittene Betreuungsgeld als Gesetz "mit dem kürzesten Haltbarkeitsdatum" in die Geschichte eingehen werde.

"Kein Kind zurücklassen" - Steinbrück bedient sich bei Hannelore Kraft

Steinbrück inszeniert sich vor den knapp 400 Delegierten bewusst locker, redet nicht am Pult, sondern geht mit den Mikro in der Art eines Moderators auf der Bühne auf und ab. Immer wieder grenzt er sich von der CDU ab, der er programmatischen Etikettenschwindel vorwirft, und skizziert die Unterschiede zu Kanzlerin Angela Merkel - bei der Rente, beim Mieterschutz oder beim Konflikt um einen gesetzlichen Mindestlohn. "Die SPD hat die besseren Lösungen", sagt er, während Merkel am laufenden Bank nur Gipfel organisiere. "Sie gipfelt so vor sich hin", kalauert Steinbrück, "aber über allem Gipfeln ist Ruh."

Kanzlerkandidat Peer Steinbrück

Fünf Jahre lang gehörte Peer Steinbrück dem Kabinett von Heide Simonis in Schleswig-Holstein an, 1998 wechselte der gebürtige Hamburger nach NRW, wo er schon als Beamter gearbeitet hatte. Er wurde zunächst Wirtschafts- und Verkehrsminister unter Wolfgang Clement, der ihm hier die Hand schüttelt.
Fünf Jahre lang gehörte Peer Steinbrück dem Kabinett von Heide Simonis in Schleswig-Holstein an, 1998 wechselte der gebürtige Hamburger nach NRW, wo er schon als Beamter gearbeitet hatte. Er wurde zunächst Wirtschafts- und Verkehrsminister unter Wolfgang Clement, der ihm hier die Hand schüttelt. © dpa
Peer Steinbrück bei seiner Vereidigung im Landtag
Peer Steinbrück bei seiner Vereidigung im Landtag © dpa
Im Jahr 2000 wechselte Steinbrück ins Düsseldorfer Finanzministerium. Der Job machte ihm offenbar Spaß, obwohl er...
Im Jahr 2000 wechselte Steinbrück ins Düsseldorfer Finanzministerium. Der Job machte ihm offenbar Spaß, obwohl er...
...wegen seiner Haushaltspolitik von der Opposition scharf kritisiert wurde.
...wegen seiner Haushaltspolitik von der Opposition scharf kritisiert wurde. © dpa
Selbstzufriedener Blick in die Zukunft: Als Ministerpräsident Wolfgang Clement als Gerhard Schröders
Selbstzufriedener Blick in die Zukunft: Als Ministerpräsident Wolfgang Clement als Gerhard Schröders "Superminister" nach Berlin wechselte, war... © dpa
...der Weg für Steinbrück frei: Er wurde neuer Ministerpräsident in NRW.
...der Weg für Steinbrück frei: Er wurde neuer Ministerpräsident in NRW. © dpa
Als Ministerpräsident in NRW (hier bei der Vereidigung) kam auch der als distanziert geltende Steinbrück...
Als Ministerpräsident in NRW (hier bei der Vereidigung) kam auch der als distanziert geltende Steinbrück... © dpa
...nicht um Kontakt zum Wahlvolk herum. Offenbar machten ihm solche Termine, wie hier im Bergwerk Ost, sogar Spaß.
...nicht um Kontakt zum Wahlvolk herum. Offenbar machten ihm solche Termine, wie hier im Bergwerk Ost, sogar Spaß.
Naja, vielleicht immerhin ein bisschen. Er musste sich aber nicht jeden Tag schmutzig machen, denn als Ministerpräsident...
Naja, vielleicht immerhin ein bisschen. Er musste sich aber nicht jeden Tag schmutzig machen, denn als Ministerpräsident...
...begrüßte Peer Steinbrück auch manch prominenten Gast, darunter auch Queen Elisabeth II.
...begrüßte Peer Steinbrück auch manch prominenten Gast, darunter auch Queen Elisabeth II. © Getty Images
Fußball-Idol, Frauenschwarm oder beides? Auf einem Kongress für Mädchen- und Frauenfußball gibt Steinbrück ein Autogramm - stilecht auf dem Lederball.
Fußball-Idol, Frauenschwarm oder beides? Auf einem Kongress für Mädchen- und Frauenfußball gibt Steinbrück ein Autogramm - stilecht auf dem Lederball. © Bongarts/Getty Images
Peer Steinbrück mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Im Frühjahr 2005 hofften beide noch, dass...
Peer Steinbrück mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Im Frühjahr 2005 hofften beide noch, dass... © Getty Images
...die SPD in NRW an der Macht bleiben könnte. Dafür warf sich der knurrige Hanseat in den Wahlkampf, so wie hier in Duisburg.
...die SPD in NRW an der Macht bleiben könnte. Dafür warf sich der knurrige Hanseat in den Wahlkampf, so wie hier in Duisburg. © Getty Images
Der 22. Mai 2005 wurde für Peer Steinbrück und die SPD zum Tag der Wahrheit. Das Bild zeigt ihn mit seinen Töchtern und seiner Ehefrau auf dem Weg zur Wahlurne.Abends stand fest, dass...
Der 22. Mai 2005 wurde für Peer Steinbrück und die SPD zum Tag der Wahrheit. Das Bild zeigt ihn mit seinen Töchtern und seiner Ehefrau auf dem Weg zur Wahlurne.Abends stand fest, dass... © Getty Images
...der Kampf nichts gebracht hatte. CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers hatte sich durchgesetzt. Peer Steinbrück gratuliert.
...der Kampf nichts gebracht hatte. CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers hatte sich durchgesetzt. Peer Steinbrück gratuliert. © Getty Images
Der Wahlkampf in NRW ist zu Ende, doch quasi zeitgleich beginnt ein neuer: Denn Bundeskanzler Gerhard Schröder ruft nach der Wahlniederlage seiner SPD in NRW zu Neuwahlen des Bundestags auf.
Der Wahlkampf in NRW ist zu Ende, doch quasi zeitgleich beginnt ein neuer: Denn Bundeskanzler Gerhard Schröder ruft nach der Wahlniederlage seiner SPD in NRW zu Neuwahlen des Bundestags auf. © Getty Images
Die vorgezogene Bundestagswahl im Herbst 2005 machte Angela Merkel zur Kanzlerin und Peer Steinbrück zum Finanzminister. Im November...
Die vorgezogene Bundestagswahl im Herbst 2005 machte Angela Merkel zur Kanzlerin und Peer Steinbrück zum Finanzminister. Im November... © Getty Images
...wurde er von Bundestagspräsident Norbert Lammert vereidigt.
...wurde er von Bundestagspräsident Norbert Lammert vereidigt. © Getty Images
Damals noch als Team, heute sind sie Gegner: Steinbrück und Merkel.
Damals noch als Team, heute sind sie Gegner: Steinbrück und Merkel. © Getty Images
Fußballfan Peer Steinbrück beim WM-Halbfinale 2006 im Dortmunder Stadion.
Fußballfan Peer Steinbrück beim WM-Halbfinale 2006 im Dortmunder Stadion. © Bongarts/Getty Images
Peer Steinbrück bei einer Kabinettssitung mit der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU).
Peer Steinbrück bei einer Kabinettssitung mit der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU). © Getty Images
Seit 37 Jahren ist Peer Steinbrück mit seiner Frau Gertrud verheiratet. Das Bild zeigt sie beim Besuch des Bundespresseballs.
Seit 37 Jahren ist Peer Steinbrück mit seiner Frau Gertrud verheiratet. Das Bild zeigt sie beim Besuch des Bundespresseballs. © Getty Images
Steinbrück beim Tanz mit Boxerin Regina Halmich.
Steinbrück beim Tanz mit Boxerin Regina Halmich. © Bongarts/Getty Images
In der Finanzkrise wurde Finanzministerminister Steinbrück für die Kanzlerin immer wichtiger. Im Oktober 2008 garantierten sie den Bundesbürgern: Die Spareinlagen sind sicher. Damit verhinderte die Regierung einen möglichen Sturm auf die Banken, der einen Kollaps der Wirtschaft hätte bedeuten können.
In der Finanzkrise wurde Finanzministerminister Steinbrück für die Kanzlerin immer wichtiger. Im Oktober 2008 garantierten sie den Bundesbürgern: Die Spareinlagen sind sicher. Damit verhinderte die Regierung einen möglichen Sturm auf die Banken, der einen Kollaps der Wirtschaft hätte bedeuten können. © Getty Images
Mit der Bundestagswahl 2009 endete die...
Mit der Bundestagswahl 2009 endete die... © Getty Images
...Große Koalition. Aus dem Finanzminister Steinbrück, der von Bundespräsident Horst Köhler die Entlassungsurkunde erhält, wurde...
...Große Koalition. Aus dem Finanzminister Steinbrück, der von Bundespräsident Horst Köhler die Entlassungsurkunde erhält, wurde...
...der Abgeordnete Steinbrück: Zum ersten Mal zog er als Parlamentarier in den Bundestag ein, musste aber zusammen mit Parteichef Sigmar Gabriel auf den harten Oppositionsbänken Platz nehmen.
...der Abgeordnete Steinbrück: Zum ersten Mal zog er als Parlamentarier in den Bundestag ein, musste aber zusammen mit Parteichef Sigmar Gabriel auf den harten Oppositionsbänken Platz nehmen. © Getty Images
Schon mehr als ein Jahr vor der Bundestagswahl 2013 diskutierte die Öffentlichkeit über die
Schon mehr als ein Jahr vor der Bundestagswahl 2013 diskutierte die Öffentlichkeit über die "K-Frage" der SPD. Schnell kristallisierte sich heraus: Einer aus der "Troika" Steinbrück, Steinmeier und Gabriel sollte es machen. © Getty Images
Ende September fiel dann die Entscheidung zugunsten von Steinbrück. Auf einem Nominierungsparteitag bestätigten die Mitglieder seine Kandidatur mit großer Mehrheit.
Ende September fiel dann die Entscheidung zugunsten von Steinbrück. Auf einem Nominierungsparteitag bestätigten die Mitglieder seine Kandidatur mit großer Mehrheit. © Getty Images
Seitdem kämpft Steinbrück mit zahlreichen Fettnäpfchen und Skandälchen, auch wenn...
Seitdem kämpft Steinbrück mit zahlreichen Fettnäpfchen und Skandälchen, auch wenn... © Getty Images
...der Kandidat selbst vieles davon nicht so ernst nehmen mag, sondern lieber seiner Partei beim Wahlkampf in Niedersachsen unterstützt.
...der Kandidat selbst vieles davon nicht so ernst nehmen mag, sondern lieber seiner Partei beim Wahlkampf in Niedersachsen unterstützt. © Getty Images
Bis zur Bundestagswahl muss Steinbrück noch Überzeugungsarbeit beim Wähler leisten: Noch liegt Angela Merkels CDU deutlich vor Steinbrück und der SPD.
Bis zur Bundestagswahl muss Steinbrück noch Überzeugungsarbeit beim Wähler leisten: Noch liegt Angela Merkels CDU deutlich vor Steinbrück und der SPD. © Getty Images
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Erneut fällt auf, dass er sich mehrfach auf SPD-Landeschefin Hannelore Kraft bezieht und auch ihr politisches Credo "Kein Kind zurücklassen" in sein Repertoire übernommen hat. Wenn Kraft redet, kommt der Beifall des Parteivolks spontaner, herzlicher als bei dem unterkühlten Hamburger mit Wahlheimat NRW – das ist in Bielefeld nicht anders. Kraft mahnt die SPD, sich nicht von schwachen Umfrageergebnissen "kirre" machen zu lassen und an den Wahlsieg zu glauben. Zumindest Steinbrücks Ergebnis lässt daran keinen Zweifel aufkommen. Von 396 Delegierten stimmen nur sechs gegen ihn. "Es wird ein steiniger Weg", sagt der Kandidat, "nichts ist entschieden."