Düsseldorf. . Die EU-Kommission rügt hohe Fehlerquote bei Abrechnungen, deshalb liegen 78 Millionen Euro vorerst auf Eis. Kontrolleure aus Brüssel haben ihren Besuch angekündigt. Die Landesregierung betont, dass es nicht zu „kriminellen Machenschaften“ gekommen sei, sondern ortet die Ursachen in einer offenbar überforderten Bürokratie. Schuld daran sei auch die schwarz-gelbe Vorgängerregierung.

Seit dem 6. März 2013 hat die rot-grüne Landesregierung den mehr als ungewöhnlichen Vorgang schriftlich: An jenem Tag verhängte die EU-Kommission in Brüssel nach Informationen dieser Zeitung offiziell einen Auszahlungsstopp für Fördermillionen an Nordrhein-Westfalen aus dem Topf des Europäischen Sozialfonds (ESF).

Der Grund: Eine Fehlerquote von mehr als 15 Prozent bei der Abrechnung von bezuschussten Arbeits-, Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen aus den Jahren 2008 bis 2011.

Griechische Verhältnisse in NRW?

Seither will Brüssel rund 16 Millionen Euro für Projekte aus diesen Jahren nicht mehr erstatten und hat 62 Millionen Euro für Projekte aus dem Jahr 2012 erst einmal einbehalten. Zunächst will sich eine Delegation aus Brüssel im Mai bei einer zweiwöchigen Inspektionsreise an Rhein und Ruhr von den ordnungsgemäßen Abläufen im Öffentlichen Dienst von NRW überzeugen.

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Die Landesregierung legt Wert auf die Feststellung, dass es zu „keinen kriminellen Machenschaften“ gekommen sei. Vielmehr gehe es um lückenhafte Dokumentationen oder andere bürokratische Verstöße im komplizierten EU-Beantragungswesen.

„Die Fehlerquote war nicht akzeptabel“

Dem in Düsseldorf zuständigen Sozialminister Guntram Schneider (SPD) ist die Sache unangenehm: „Eine Fehlerquote von 15,1 Prozent bei der Abrechnung unserer Projekte im Rahmen des Europäischen Sozialfonds war nicht akzeptabel. Wir haben umgehend die Kontrollmechanismen verstärkt und die Mängel beseitigt“, sagte Schneider dieser Zeitung.

Mitte des vergangenen Jahres hat sein Ministerium offenbar die zuständigen Bezirksregierungen an die kurze Leine genommen. Mit detaillierten Checklisten, kürzeren Prüfungsintervallen, Personalschulungen und neuer Computer-Software sei die Quote der Abrechnungsfehler auf 4,6 Prozent gedrückt worden.

Bis zur Visite der Brüsseler Prüfer im Mai muss sie unter zwei Prozent liegen, damit die begehrten Fördermittel wieder fließen können. „Wir werden nun die EU-Kommission bei ihrer Inspektionsreise davon überzeugen, dass ESF-Projekte wieder korrekt und im Rahmen einer normalen Fehlertoleranz abgewickelt werden“, so Minister Schneider.

Für NRW geht es um viel Geld

Für NRW geht es um jede Menge Geld. Der Sozialfonds hält für das Land in der siebenjährigen EU-Förderperiode bis 2013 insgesamt 684 Millionen Euro bereit. Tausende Qualifizierungs- und Bildungsmaßnahmen, etwa für Arbeitslose, werden mit dem EU-Geld zu 50 Prozent finanziert, die andere Hälfte muss sich das Land mit der Arbeitsagentur oder anderen Trägern teilen. Die korrekte Abrechnung ist zentraler Bestandteil bei der Mittelvergabe. Zurzeit schießt Schneider aus purer Not Geld seines Landesetats vor, um genehmigte Maßnahmen realisieren zu können. Wenn die EU den Auszahlungsstopp nicht schnell aufhebt, hat er ein Problem.

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Schwarz-gelbe Ursachen

„Die Schwächen bei der Prüfung haben ihren Ursprung in der Auflösung der Versorgungsämter durch die schwarz-gelbe Vorgängerregierung. Zuständigkeiten, bewährte Verfahren bei der Abrechnung von ESF-Projekten sind damals ohne Not zerschlagen worden“, so Schneider. Die Regierung Rüttgers hatte 2007 die Sozialverwaltung in NRW neu auf Kommunen, Landschaftsverbände und Bezirksregierungen verteilt. Um die Abwicklung der ESF-Projekte kümmern sich heute 130 Bedienstete in den Regierungspräsidien. Die Zahl der Beamten in diesem Bereich sei geschrumpft, die Stimmung schlecht und die Fluktuation hoch, heißt es.

Im Landtag wird sich in den kommenden Wochen aber wohl vielmehr die Frage der politischen Aufsicht sowie des Schadens für Image und Finanzen stellen.