Essen. . „Wir sind Papst“, können nun auch die Argentinier jubeln. Und Katholiken in Mexiko, Brasilien oder Chile dürfen gleich mitfeiern. Doch obwohl Lateinamerika noch immer eine Bastion des Katholizismus ist, gerät die traditionsreiche Kirche dort mächtig unter Druck. Zum Beispiel durch die Freikirchen.

Man könnte sagen: Dieser Kontinent hat einen Pontifex verdient. Lateinamerika ist noch immer eine starke Bastion der Kirche. 42 Prozent der Katholiken leben hier, rund 500 Millionen Gläubige. Selbst im kommunistischen Kuba ließ sich die Kirche nie ausschalten. Ein Latino als Papst, das scheint folgerichtig.

Doch die katholische Kirche steckt auch und gerade in Lateinamerika in der Krise. Sie wird bedroht. Nicht von Atheisten oder Sozialisten, sondern von gläubigen Christen. Evangelikale Sekten und Freikirchen sind in praktisch allen Ländern zwischen Mexiko und Argentinien auf dem Vormarsch, besonders in Brasilien.

Skepsis gegenüber der Befreiungstheologie

Europäischen Klerikern, auch vielen Päpsten, waren die selbstbewussten Latinos immer schon suspekt. Die Befreiungstheologie, die den Armen und Unterdrückten eine Stimme geben wollte, hatte in den Augen von europäischen Kirchenmännern etwas unerfreulich Revolutionäres an sich. Gerade Papst Benedikt XVI. wollte lieber über den reinen Glauben philosophieren als über das nackte Elend.

Diverse Missbrauchskandale verunsicherten auch die Katholiken in Lateinamerika. In Mexiko fiel schon in den 1990er-Jahren der Gründer des mächtigen Ordens „Legionäre Christi“, Marcial Maciel, als Kinderschänder auf. In Brasilien gab es zahlreiche Sex-Skandale um Priester und höhere Würdenträger. Von einer einigen lateinamerikanischen Kirche zu sprechen, verbietet sich ohnehin.

Teil des Klerus paktierte mit der Militärdiktatur in Argentinien

Zu unterschiedlich sind die Strömungen in den Ländern dort. Zur Zeit der Militärdiktatur in Argentinien paktierte ein Teil des Klerus mit den Machthabern, andere widersetzten sich dem Unrecht und bezahlten dafür mit ihrem Leben. In Kolumbien vermitteln Priester zwischen den Fronten im Bürgerkrieg, und in Mexiko predigen sie Moral in einer vom Drogenkrieg zerrissenen Gesellschaft.

Die politische Linke, unter anderem in Venezuela, Bolivien, Ecuador erfolgreich, nimmt der Kirche ein Stück ihrer Autorität. Themen, durch die sich Katholiken besonders herausgefordert fühlen, wie die Homo-Ehe oder legale Abtreibung, werden inzwischen in vielen lateinamerikanischen Gesellschaften offen diskutiert.