Essen. Die Grenzen zu Rumänien und Bulgarien werden vorerst nicht vollständig geöffnet: Deutschland blockiert auf EU-Ebene den geplanten Beitritt der beiden ehemaligen Ostblockstaaten zum Schengen-Raum ohne Grenzkontrollen. Erst Ende des Jahres wollen sich die Innenminister wieder mit dem Thema befassen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bekräftigte beim Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag in Brüssel das deutsche Nein: „Derzeit ist die Zeit nicht reif.“
„Deutschland hat die Gelegenheit verpasst, den Mund zu halten.“ Rumäniens Innenminister Radu Stroe hat das so am Wochenbeginn gesagt. Zwischen Berlin und Bukarest herrscht Reizklima.
Kaum besser geht es zwischen der Bundesrepublik und Bulgarien zu. Denn die Bundesregierung hat in der EU-Innenministerkonferenz per Veto verhindert, dass die Grenzkontrollen zu den Balkan-Republiken aufgehoben werden. Es ist ein Signal des Unmuts. Ursache dafür ist ein brisanter Mix aus Ärger, Sorgen und Misstrauen.
Rumänien. Bulgarien. Alleine bei Nennung der Begriffe verdrehen Ruhrgebiets-Oberbürgermeister die Augen. Zwischen 10 000 und 20 000 Menschen aus diesen Ländern sind zuletzt ins Rheinland und ins Revier zugewandert. 90 Prozent von ihnen Sinti und Roma.
Flucht aus bitterster Armut
Sie kommen, zu Hause in Vorstädten wie dem bulgarischen Plovdiv-Stoliponovo verachtet, aus bitterster Armut. In deutschen Städten entstehen – wie in Duisburg-Rheinhausen oder Dortmunds Nordstadt – Problemzonen mit Verwahrlosung, Rotlicht, Kriminalität. Polizeieinsätze werden vor Ort inzwischen jede Nacht gemeldet.
Für Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gibt es in den Ländern am Schwarzmeer also gleich mehrere Baustellen.
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Die Zuwanderung
Rumänien und Bulgarien sind seit 2007 in der EU. Sie haben Reise- und Visafreiheit und können in anderen EU-Ländern auch auf eigene Rechnung arbeiten. Die volle Freizügigkeit, also das Recht, in anderen EU-Ländern als Angestellte tätig zu sein oder zu studieren, gilt für ihre Bürger erst ab Januar 2014. Arbeitsagentur-Chef Frank-Jürgen Weise erwartet dann einen neuen Zuwanderungsschub mit mindestens 120 000 Menschen im Jahr.
Friedrich steht unter Druck der Kommunen, die dann Sozialhilfe zahlen müssen. Er will jetzt die Zuwanderung derjenigen stoppen, „die sich aus den Sozialkassen bedienen“. Es war das eine Thema auf der EU-Konferenz: Sie sollen abgeschoben und an Wiedereinreisen gehindert werden können.
Roma in DuisburgDie Kriminalität
Aus dem Südosten des Kontinents werden seit dem EU-Beitritt neben Armut auch Verbrechen importiert. Das belegen die Lagebilder des Bundeskriminalamtes. Beispiel Menschenhandel, also meist Prostitution: Bei Taten in Deutschland belegen Täter aus Rumänien nach Deutschen schon Platz 2, Bulgaren Platz 3 vor Türken. Auch unter den Opfern stellen sie den Großteil: 25 Prozent der (meist weiblichen) Opfer kommen aus Rumänien (Platz 1), 15,3 Prozent aus Bulgarien (Platz 3 nach Deutschen). Auch deswegen gibt es eine psychologische Schranke, die Grenzkontrollen bald fallen zu lassen.
Die Zuverlässigkeit
Nach den Schengen-Regeln fallen die Grenzkontrollen zwischen zwei Staaten weg und werden durch sporadische Kontrollen in einer 30-Kilometer-Zone um die Grenze ersetzt. Gleichzeitig würden Rumäniens und Bulgariens Grenzen zur Ukraine, zu Moldawien und zur Türkei Außengrenzen der EU. Diese müssen durch ein besonders zuverlässiges Rechtssystem gesichert sein.
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Die Bundesregierung bezweifelt das. In beiden Ländern seien Korruptions-Bekämpfung und Rechtsstaatlichkeit nicht gut genug entwickelt. Wer von außerhalb der EU komme und sich dort „durch Bestechung ein Visum beschafft, könnte ohne weitere Kontrollen bis nach Deutschland reisen“, fürchtet Friedrich. Und das sei am Ende „ein Sprengsatz für die europäische Solidarität“.